Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
und machen immer krumme Geschäfte. Deswegen muss man ihnen aus dem Weg gehen.«
Die Adlerwirte hatten so ihre ganz eigene Vorstellung vom Rechtswesen der Stadt, die vor allem auf Umgehung der Gesetze beruhte. Nicht weil sie selbst unrecht handelten, sondern weil sie immer befürchteten, ungerecht behandelt zu werden. Mochte sein, dass dieses Misstrauen gerechtfertigt war, aber gewiss nicht in dem Maße, wie Jung Kilian es seinen Pflegeeltern darstellte.
»Geht es dem Jungen gut bei den Bauersleuten?«
»Ja, die Frau füttert ihn und kost ihn und lässt ihn in ihrem Bett schlafen.«
»Gut, dann wird er es dort wohl eine Weile aushalten, bis sein eigener Vater sich um ihn kümmert.«
»Ihr wollt ihn ihr wieder wegnehmen?«
»Ich nicht, Stina. Aber möglicherweise könnten seine Eltern ihren Sohn gerne wieder zurückhaben wollen.«
»Die Spielleute?«
»Nein, Stina, nicht die Spielleute. Wenn es der Junge ist, der hier von meinem Hof entführt worden ist, dann sind seine Eltern gut angesehene Buntwörter, denen jemand einen ganz, ganz bösen Streich gespielt hat.«
Stina war nicht besonders helle, sie verstand das alles nicht, und Alyss hatte plötzlich große Befürchtungen, dass sie zu
den Kappesbauern gehen und sie warnen könnte, dass ihnen der Junge wieder genommen würde. Darum versuchte sie gar nicht erst, dem Mädchen klarzumachen, dass Aldenhoven vermutlich spornstreichs auf dem Hof auftauchen würde, um seinen Sohn zurückzuholen. Schlimmstenfalls mit einer ganzen Gruppe Bütteln. Stattdessen versicherte sie ihr nur, dass sie glücklich sei, den Jungen gut aufgehoben zu wissen, bestellte Grüße an Frau Franziska und schickte das Mädchen mit einer Handvoll Honigkuchen nach Hause zurück.
»Wer begleitet mich zu Aldenhoven?«, fragte sie, als die Tür hinter Stina zugefallen war.
»Ich, Frau Alyss.«
Tilo war als Erster aufgesprungen.
»Dann komm.«
Doch Aldenhoven war nicht in seinem Haus und auch nicht in seiner Werkstatt. Lis, die Magd, erklärte ihnen, er sei nach Deutz hinübergefahren, warum, das wusste sie nicht, und auch nicht, wann er zurückkommen würde. Alyss hinterließ ihr die Nachricht, er solle sich umgehend bei ihr einfinden. Dass es sich um Kilian handelte, verschwieg sie ihr sicherheitshalber, denn sie wollte vermeiden, dass der Junge oder seine neuen Gastgeber davon erfuhren, dass sie wusste, wo er steckte. Der kleine Kerl war flüchtiger als Luft.
Noch immer war die Stadt voller Menschen, Reisenden, Händler, Höker, Gaukler, wie sie sich zu Messezeiten gerne einfanden, um ihre Belustigungen darzubieten. Auch Quacksalber und Theriakhändler, Zahnbrecher und Wunderheiler boten ihre Dienste laut und vernehmlich an. Der Kax war gut besucht, denn wer gegen die Marktordnung verstieß, fand sich
unversehens am Pranger wieder und durfte sich der tätlichen Missbilligung der Kunden ausgesetzt sehen. Manch fauler Kappes traf den Kopf des Missetäters, und recht eindeutige Schmähungen wurden ihm zuteil. Köln war eine Handelsstadt, und die Ehre der Kaufleute galt hier viel. Wer in einem üblen Ruf stand, unredlich maß, wog oder rechnete, schlechte Ware für gute verkaufte, mit falschen Münzen zahlte oder pantschte, konnte gewiss sein, dass er fürderhin gemieden wurde. Die Zünfte und Gaffeln wachten neben den Marktordnern darüber, dass die Geschäfte in rechten Bahnen verliefen.
Heute, zum letzten Messetag, wurde viel hin und her transportiert. Karrenpferde, beladene Esel, Lastenträger und auch die jungen Päckelchesträger gingen unzähligen Aufträgen nach, und so entdeckte Alyss den schmächtigen Rotschopf, der unter einem riesigen Bündel beinahe zusammenbrach.
»Lore«, sagte sie, als sie das schnaufende Mädchen eingeholt hatte.
»Mhm?«
»Frau Alyss, die Frau mit den Käfern«, erklärte Tilo.
»Oh. Hab nix für Euch.«
»Ich schon. Komm vorbei, Futter wartet.«
»Hab aber nix.«
»Nimm es als Vorschuss.«
»Oh, mhm.«
Lore schleppte sich weiter.
»Ihr solltet das gar nicht erst anfangen, Frau Alyss. Nachher habt Ihr noch die halbe Stadt an Eurem Tisch sitzen.«
»Hast du Angst, dass du zu kurz kommst, Tilo?«
»Nö, aber …«
»Wir sollen die Armen und Bedürftigen mit Almosen unterstützen,
Tilo. Und ich tue das auf meine Weise. Außerdem scheint mir die Kleine ein gewitztes Persönchen zu sein.«
Doch bevor Lore an die Küchentür klopfte, meldete sich zur Terz an der Vordertür Magister Jakob.
Alyss, die mit den Jungfern im Saal saß und spann,
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