Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
an.
»Solche wie der, Frau Alyss, haben gar keine anderen als dumme Gedanken im Kopf. Denkt an meine Worte. Und nun gehabt Euch wohl. In den nächsten Tagen bringe ich Euch die vereinbarte Summe vorbei und erlaube mir dann, mir ein Bild vom Fortschritt der Ernte zu machen.«
Der Junge war versorgt, Hilda hatte Alyss ein Bündel schöner weißer Lammfelle übergeben, die Greta Aldenhoven ihr überlassen hatte, die Arbeiten im Kontor waren abgeschlossen, und so wandte sie sich dem zugenagelten Tor am Weingarten zu. Mit dem Hammer schlug sie einige Male kräftig auf das Brecheisen, und schon lösten sich die Nägel aus dem mürben Mörtel der Wand. Mit einem Tritt beförderte Alyss die Planken an die Seite und betrat das Feld. Malefiz hatte einen lautlosen Satz auf die Mauer getan und schaute neben ihr mit peitschendem Schwanz über die Rebstöcke. Benefiz drückte sich an ihre Beine und winselte leise.
»Ja, es steht uns wieder zur Verfügung. Ich will Jerkin holen. Wir wollen jagen!«
Die grünen Augen des schwarzen Katers verengten sich, und mit einem geschmeidigen Satz war er unten und strich durch das Laub.
Alyss wandte sich dem Verschlag zu. Hier lag griffbereit ihr Handschuh, extra an ihre Hände angepasst, mit einer hohen
Stulpe, doch ohne Zierrat. Sie zog ihn über, öffnete die Tür, und sprach leise mit dem Gerfalken. Er wandte ihr sein schwarzes Auge zu, als ob er sie verstünde, dann stieg er auf ihre Faust und krallte sich in dem starken Leder fest.
»Das Häubchen erlasse ich dir, Jerkin. Wir besuchen vertrautes Gebiet.«
Ruhig blieb der Vogel auf ihrem Arm sitzen, als sie den Weingarten betrat, und mit einem Schrei purer Freude schwang er sich auf, als sie ihn abwarf. Lange sah sie ihm nach, wie er sich im Aufwind nach oben schraubte, unter dem blassblauen Himmel aufstieg und dann von dort nach seiner Beute Ausschau hielt. Sie selbst wanderte gemächlich durch die Rebreihen und prüfte die Trauben. Sie waren reif, fast überreif, hier und da schon verschrumpelt. Doch als sie einige davon kostete, war sie über die Süße erfreut. Morgen würden sie mit der Lese fortfahren.
Benefiz trottete sanftmütig neben ihr her, hielt sich dicht an ihre Röcke, und als sie ihn zwischen den Ohren kraulte, sah er sie mit einem erbärmlich traurigen Hundeblick an.
»Du vermisst Frieder, nicht wahr?«
Er gab ein jämmerliches Kläffen von sich, als hätte er sie verstanden.
»Komm, wir gehen in die Rosenlaube. Dort ist es friedlich.«
Am äußersten Ende des Weingartens rankten sich zwei Rosenstöcke um einen hölzernen Bogen über einer kleinen Bank. An der Wand dahinter hatte sie Apfelbäume am Spalier gezogen. Viele von den Früchten waren nun auf den Boden gefallen, hatten faulige Stellen oder waren von kleinem Getier angefressen. Doch einige rotbackige Exemplare hingen noch im Laub, und einen Apfel pflückte sie sich heraus und setzte
sich damit auf die Bank. Benefiz legte sich zu ihren Füßen nieder und bettete die Schnauze auf seinen Pfoten.
Es war still hier, nur zwei zankende Elstern ließen ihr Krächzen ertönen. Hoch oben kreiste noch immer Jerkin. Mag er seine Freiheit genießen, dachte Alyss. So, wie sie ebenfalls für eine Weile die ihre genießen durfte.
Und um ihrer dürstenden Seele Nahrung zu geben, betete sie die Worte des heiligen Franziskus, die ihr immer wieder aus dem Herzen sprachen:
»›Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind der Lobpreis, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie, und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.
Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns ernährt und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.‹
Morgen werden wir ernten, wir werden keltern und süßen Wein herstellen. Wir werden Unkraut zwischen den Rebstöcken rupfen, wir werden die Pfähle herausziehen und die Triebe kappen, wir werden sie mit Stroh und Erde bedecken, damit sie im Winter nicht erfrieren. Ja, das alles steht in den nächsten Wochen an«, erzählte sie dem Hund, der ihr mit aufgerichteten Ohren zuhörte.
Der Falke hatte ein Opfer erspäht und ließ sich aus der Höhe zu Boden fallen. Alyss rief ihn nicht zurück – er sollte seine Beute für sich behalten.
Sie würde ihre Beute ebenfalls für sich behalten – den Betrag,
den sie für die Arbeit im Weingarten erhielt, den Gewinn, den sie mit den Pelzen machen würde, die Erträge aus ihrem eigenen kleinen
Weitere Kostenlose Bücher