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Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Küche eilte, saß man schon bei Tisch; Magister
Hermanus hielt seinen üblichen Sermon. John hatte sich ebenfalls eingefunden und lächelte sie an, als sie sich auf ihren Platz in der Mitte des Tisches setzte. Fromm faltete sie die Hände, sah sich aber prüfend um. Die Jungfern wirkten schon leicht ermattet, Tilo war in heilige Verzückung oder einen gut versteckten Halbschlaf versunken, Kilian betrachtete seine Hände, die von Alyss’ Platz aus recht schwärzlich wirkten. Der Junge schätzte die Behandlung mit Wasser nicht sonderlich.
    Als Magister Hermanus eine winzige Pause machte, setzte Alyss seinem Salbadern ein kurzes Ende und wünschte allen eine gesegnete Mahlzeit.
    Kilian überraschte sie mit der Bitte, noch einmal aufstehen und sich die Hände waschen zu dürfen. Sie fragte sich einigermaßen ungläubig, ob er ihren strengen Blick richtig gedeutet hatte, und gab ihre Einwilligung. Der Junge lief hinaus, kam, gerade als Hilda die Schüsseln mit Brei füllte, wieder in die Küche und rief: »Gleich kommt Malefiz mit einer sooo großen Ratte rein!«
    Alle schauten zur Tür, doch nichts geschah. Nur Alyss fühlte Johns Fuß auf dem ihren.
    Fragend sah sie zu ihm. Unter seinen halb gesenkten Lidern glitt sein Blick zu Magister Hermanus’ Schüssel. Dann zu dem artig dasitzenden Kilian.
    Da war doch irgendeine Teufelei im Gange!
    Was hatte der kleine Nichtsnutz nun schon wieder ausgeheckt?
    Sie brauchte nicht lange zu warten. Gierig wie immer fiel der Hauspfaff über sein Essen her, und als er die beiden ersten Löffel voller Brei verschlungen hatte, schrie Hedwigis laut: »Ihh! Igitt! Da bewegt sich ja was drin!«

    Hermanus, der gerade ein weiteres Mal den Löffel zum Mund führen wollte, hielt in der Bewegung inne und starrte in seine Schüssel. Alle andern folgten seinem Blick.
    »Erdwürmer, vermute ich«, flüsterte John.
    »Regenwürmer!«, sagte Tilo und schluckte. »Köstlich, Hilda. Habe ich auch welche bekommen?«
    Der Hauspfaff entwickelt erst eine grünliche, dann eine immer rötlichere Gesichtsfarbe, stand dann auf, zerrte Kilian am Ohr hoch und verpasste ihm eine derart bösartige Ohrfeige, dass der Junge rückwärts taumelte und fast in den Herd gefallen wäre, hätte Hilda ihn nicht rechtzeitig aufgefangen.
    »Du Teufelsbraten! Du hinterhältiger, gottverlassener Balg! Du gehörst gezüchtigt und in den finstersten Keller gesperrt, bis du die Furcht Gottes gelernt hast.«
    Er wollte noch einmal zuschlagen, aber Tilo stellte sich schützend vor den Jungen.
    »Ich denke, Magister Hermanus, Frau Alyss ist die Einzige, die in diesem Haus über unser Benehmen zu richten und zu strafen hat.«
    »Sie ist nur das Weib des Arndt van Doorne. Sie hat gar nichts zu richten. Solange mein Vetter auf Reisen ist, bin ich der Herr im Haus!«
    Schweigen.
    Und ganz überraschend erhob die sanftmütige Leocadie plötzlich die Stimme.
    »Magister Hermanus, Euch ist ganz recht geschehen. Frau Alyss, er hat heute Vormittag dem Jungen einen süßen Wecken fortgenommen und sich selbst in den Mund gestopft. Ich hab’s selbst gesehen.«zu

    Alyss lächelte. Das tat sie selten, und alle sahen sie überrascht an.
    »›Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.‹ Und, Magister Hermanus, wer einem siebenjährigen Jungen aus niedriger Gier einen Wecken stiehlt, wie Ihr es heute Mittag tatet, ist nicht ohne Sünde und hat damit nichts zu richten. Auch wenn Ihr Euch in meinem Haus Herrenrecht anmaßt. Das aber hat Arndt van Doorne Euch nicht erteilt. Setzt Euch und haltet Ruhe. Hilda, gebt dem Magister eine neue Schüssel Brei und Kilian einen süßen Wecken.«zu
    Der Junge sah einen Moment lang tatsächlich unsicher aus und rutschte kleinlaut auf seinen Platz. Seine linke Wange war feuerrot, und aus seiner Nase tropfte ein wenig Blut, aber er klagte mit keinem Ton.
    Hermanus hingegen begann protestierend zu blubbern, der Junge solle nicht auch noch belohnt werden für seine Schandtat.
    »Wenn es danach ginge, Magister Hermanus, würdet Ihr heute hungrig zu Bett gehen oder Würmer fressen«, beschied Alyss ihn kalt.
    Der Rest der Mahlzeit verging in Schweigen, und erst als der Hauspfaff beleidigt und ohne Abschied gegangen war, erhoben sich wieder die Stimmen.
    Alyss beteiligte sich nicht an der Debatte, die während des Abräumens des Tisches entstand, und John tat es auch nicht. Sie wunderte sich, dass er während der ganzen Auseinandersetzung vollkommen still und unbeteiligt, ja fast unsichtbar

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