Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
mit dem sanften Franziskaner ihr Trost und Hilfe bringen würde.
Sie selbst allerdings wollte sich ebenfalls mit Henricus unterhalten, aber aus ganz anderen Gründen. Er war nämlich ein erstaunlich guter Kenner der menschlichen Schwächen. Und auch wenn er geneigt war, alles und jedes zu entschuldigen, wusste er doch um vielerlei Kräfte, die das Handeln der Menschen bestimmten.
Sie trafen den Franziskaner in dem kleinen Andachtsraum der Klarissen, und während Leocadie sich ihm anvertraute, unterhielt sich Alyss mit einer der älteren Schwestern, die zu den Freundinnen ihrer Mutter gehörte. Die alte Dame war stocktaub, aber noch immer von hellem Verstand. Geübt, mit der taubstummen Trine zu konferieren, gelang es Alyss einigermaßen
leicht, sich mit ihr über allerlei Klatsch auszutauschen. Doch als Leocadie ihr von der Tür her ein Zeichen gab, dass ihre Beichte bei Pater Henricus beendet war, klingelten Alyss die Ohren. Die alte Nonne hatte sich nämlich angewöhnt, überaus laut und schrill zu sprechen. Sie verabschiedete sich mit einer liebevollen Umarmung von ihr und suchte nun ihrerseits ihren Beichtiger auf.
Pater Henricus war ein hagerer, ja asketisch wirkender Mann. Seine Tonsur hatte die Natur geformt, und seine braune Kutte hing wie bei einer Vogelscheuche von ihm herab. An den Ärmeln entdeckte sie wie üblich Schmauchspuren, und ein zarter Duft von Schwefel zeugte von seinen alchemistischen Experimenten, denen er große Aufmerksamkeit widmete.
Er begrüßte sie mit einem warmen Lächeln.
»Nun, mein Kind, willst auch du dein Gewissen erleichtern?«
»Ach, Pater, das, was es belastet, trage ich derzeit noch mühelos alleine. Nein, ich habe lediglich Leocadie begleitet. Ich hoffe, Ihr habt ihr Gemüt besänftigen können.«
»Der Herr spendet Trost allen, die um Hilfe flehen. Doch ich fürchte, die Jungfer trägt an einem Schmerz, der tiefer geht als der Liebeskummer, der sie derzeit plagt.«
»Ja, ich weiß. Sie hat in ihrer Heimat etwas erlebt, dessentwegen ihre Eltern sie zu mir sandten. Was es war, habe ich sie nicht gefragt, ich warte darauf, dass sie es mir selbst erzählt oder es überwindet.«
»Ich fürchte, beides wird so schnell nicht geschehen. Auch mir hat sie sich nicht anvertraut, und ich verrate dir kein Geheimnis, wenn ich sage, dass sie im Augenblick auch nicht das rechte Vertrauen zu ihrer Familie hat.«
»Mein Vater – ich weiß. Sie gibt ihm die Schuld, weil er die Werbung des Ritters abgelehnt hat.«
»Dein Vater ist ein kluger Mann.«
»Aber manchmal zu hart. Und Arbo von Bachem steht ihm an Starrköpfigkeit in nichts nach. Leocadie befindet sich also zwischen zwei Mühlsteinen.«
»So sehe ich es auch, aber ein wenig Erleichterung konnte ich ihr, glaube ich, verschaffen. Und wie steht es bei dir? Ich hörte, dein Mann ist wieder auf Reisen.«
»Auf unbestimmte Zeit.«
»Kind, ich mache mir Sorgen um dich. Du bist nun fünf Jahre verheiratet …«
»Und habe meinem Gatten weder Söhne noch Töchter geschenkt, wollt Ihr andeuten?«
Pater Henricus’ bleiche Wangen färbten sich ein wenig rosa.
»Er ist oft außer Haus, meine Tochter, und ich frage mich, ob du daran Schuld trägst. Du führst dein eigenes Geschäft – könnte es sein, dass du sein Hauswesen darüber vernachlässigst?«
»Mein Hauswesen ist in guter Ordnung, Pater Henricus. Wenn Arndt van Doorne in sein Heim zurückkehrt, werden ihm die Speisen gereicht, die er wünscht, seine Kleider werden gewaschen, seine Kammer gefegt. Jeder Gast, den er mitbringt, wird willkommen geheißen.«
»Und doch liegt kein Segen über eurer Ehe.«
»Das ist nicht meine Schuld.«
»Kind?«
»Nein, Pater Henricus, es ist nicht meine Schuld. Ich habe lediglich mein Recht eingefordert, als er meine Mitgift verschwendet hat.«
»Alyss, das ist ein arger Vorwurf. Wie willst du das beweisen? Er ist ein Kaufmann, er wird nach ganz anderen Richtschnüren sein Vermögen verwalten, als du es nur erahnen kannst.«
»Ihr selbst, Pater Henricus, habt mir einst das Rechnen beigebracht.«
»Aber Kind, selbst wenn es da Missverständnisse gab, so seid ihr doch ein Paar, und ihr solltet in Harmonie miteinander leben.«
»Wir leben in Frieden miteinander, soweit es mich betrifft.«
… und Arndt tunlichst weit fort ist, ergänzte Alyss für sich.
»Nun, dann haltet diesen Frieden, und, liebe Tochter, zähle die Erbsen nicht zu genau.«
Alyss zwang sich zu einem Lächeln. Mit Erbsen hatte Henricus ihr und Marian einst das
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