Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
die Untauglichkeit seiner Mitglieder, den Machenschaften der Gaffeln, die die unfähigsten Gestalten dort hineinwählten.
John gelang es schließlich, deren larmoyanten Wortschwall einigermaßen höflich abzuwürgen, und er verabschiedete sich mit der Begründung, selbst noch einige Geschäfte tätigen zu müssen. Alyss hüllte sich in den Mantel der demütig schweigenden Begleiterin und wurde keines Blickes mehr gewürdigt.
Sie kochte.
Aber sie war klug genug, den Dampf erst entweichen zu lassen, als sie den Alter Markt schon hinter sich gelassen hatten.
»Was für ein Esel.«
»Beleidigt die Esel nicht, Mistress Alyss.«
»Recht habt Ihr. Mit Hafergrütze in seinem Schädel könnte er besser denken als mit dem verwesten Kohlbrei, der durch sein Hirn schwappt.«
»Er ist der Hellste nicht, aber er hat gelogen. Dazu hat es gereicht, Mistress Alyss.«
»Ja, und ich frage mich, warum Ihr es ihm habt durchgehen lassen.«
»Um ihn in Sicherheit zu wiegen. Wir werden an anderer Stelle mehr über ihn erfahren. Wir wissen nicht, ob er mit
Kilians Entführung zu tun hat. Und ob er den Jungen erkannt hat oder ihn wirklich für einen pickpocket hielt.«
»Die Hausarmen – er könnte sie beauftragt haben, ihn zu entführen.«
»Könnte. Aber warum?«
»Weil er die Buntwörter nicht mag, weil ich keine Pelze bei ihm gekauft habe, weil er in Fehde mit Aldenhoven liegt, weil Kilian ihm mal einen seiner Streiche gespielt hat …«
»Das sind Ansätze, die wir prüfen müssen. Zu welcher Gaffel gehört er?«
»Zur Eisenmark vermutlich.«
»Schön, von deren Kaufleuten kenne ich einige. Ich werde mich über ihn kundig machen. Ihr solltet Aldenhoven nach einer Feindschaft zwischen ihm und Houwschild fragen – aber tut es nicht alleine, der Mann ist jähzornig.«
»Gebt mir Euer Schwert mit, Master John.«
Er lachte.
»Die Waffen, die die Weiber führen, sind Männern gegenüber viel wirksamer. Ihr habt eine teuflisch scharfe Zunge, wenn es darauf ankommt, Mistress Alyss.«
»Ein böses Erbe meiner Mutter. Doch sie hat die Jungfrau Maria, die ihr manchmal die Zügel anlegt. Ich muss mich selbst bemühen.«
»Lasst ihr ruhig hin und wieder den Lauf, Mistress Alyss. Mich erheitert Ihr damit.«
»Wartet ab, bis sie Euch mal trifft.«
»Ich erwarte es mit köstlichem Erschaudern.«
»›Die Zunge manchen schändet, verstümmelt und verblendet‹, hat der bescheidene Dichter Freigedank gewarnt. Also schlagt Euch jede Köstlichkeit aus dem Kopf.«
»Ungern und nur mit Bedauern. Nehmt Euren Bruder mit zu Aldenhoven. Er wird ihn zähmen können, solltet Ihr versagen.«
»Ja, das werde ich tun. Wir werden ihm sowieso die letzten Streiche seines Sohnes schildern müssen.«
»Warum? Er wird sie selbst herausgefunden haben. Hinter den Spielleuten hat er ja schon die Büttel hergeschickt. Vielleicht solltet Ihr die ganze Angelegenheit überhaupt auf sich beruhen lassen. Aldenhoven kann seinen Sohn selbst suchen.«
»Kann er sehr wohl, Master John. Aber mir ist auch noch eine kostbare Krone abhandengekommen, wie Ihr Euch erinnern werdet. Und wie weit Houwschild und seine Hausarmen darin verwickelt sind, möchte ich doch ganz gern noch wissen. Ihr habt ja bisher keine weiteren Anstrengungen unternommen, ihrer Spur zu folgen.«
John ging mit gesenktem Haupt eine Weile schweigend neben ihr her.
»Ihr habt recht, Frau Alyss. Ich habe es vergessen.«
»Natürlich. Ein gegebenes Wort habt Ihr vergessen. Master John, Ihr seid ein Meister der Lüge und Geheimniskrämerei.«
Er blieb stehen, und unter seinen verhangenen Lidern wirkten seine Augen dunkel vor Schmerz.
»Ich bin alles, was Ihr sagt, Mistress Alyss.«
»Ach, geht Eures Wegs!«, schnaufte sie und wandte sich ab.
26. Kapitel
D ass Alyss an diesem Sonntag zusammen mit Leocadie den Klarissenkonvent Sankt Clara am Römerturm aufsuchte, hatte verschiedene Gründe. Einer davon war die Sorge um ihrer Base Seelenheil. Leocadie hatte gewünscht, die Beichte abzulegen, und zu diesem Zweck hatte Alyss ihren einstigen Mentor, Pater Henricus, gebeten, sich bei den Klarissen einzufinden. Sie selbst hatte bereits an Ostern gebeichtet und sah derzeit keine Notwendigkeit, ihre Sünden zu bekennen. Die kirchliche Ordnung schrieb dies lediglich einmal im Jahr vor, und obwohl allerlei Beschwernisse ihr Gewissen drückten, hatte sie doch nicht vor, ihren gutherzigen Beichtiger damit zu verstören. Leocadies Seelenpein hatte andere Ursachen, und sie hoffte, dass die Unterredung
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