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Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Rechnen beigebracht und sehr streng darauf geachtet, dass sie wirklich genau zählten.
    »Ich bemühe mich, Pater Henricus. Aber nun sagt mir einmal: Was kann einen Menschen, der in angenehmem Wohlstand lebt, dazu bewegen, ständig zu jammern und zu klagen?«
    »Du sprichst nicht von deiner Base Leocadie?«
    »Nein, von einem gestandenen Kaufmann, der mir übel nimmt, dass ich nicht seine Pelze gekauft habe, sondern die eines anderen Händlers.« Und um dem sanftmütigen Pater die Antwort leichter zu machen, fügte sie hinzu: »Was kann ich tun, damit er seinen Groll ablegt?«
    Derartige Problemstellungen, das wusste Alyss, reizten ihren alten Lehrer immer, ihnen auf den Grund zu gehen.
    »Er klagt nicht nur über dein Handeln, sondern auch allgemein, sagst du?«

    »Ja, es scheint, dass jeder, mit dem er zu tun hat, ihm Böses will.«
    »Der arme Mensch. Ja, die Einbildungskraft kann uns wie Dämonen hetzen. Auch du kennst es sicher – eine Sorge beginnt klein, doch findet sich kein verständnisvoller Freund, mit dem man sie teilen kann, beginnt sie zu wachsen. Sie nistet sich in den Kissen ein, und in den dunklen Nachtstunden wird sie größer und größer. Schon lauert sie auch bei Tag in allen Ecken, und man sieht die Schönheit der Schöpfung und die Gnade Gottes nicht mehr, sondern nur die Last, die man mit sich herumträgt.«
    »Nun, so schlimm ist es mir noch nicht ergangen, Pater Henricus.«
    »Nein, liebe Tochter. Du hast deinen Bruder, deine Eltern, deinen Gatten … Aber hat dieser Mann das auch?«
    »Soweit ich weiß, ist er nicht verheiratet, ob seine Familie noch lebt, kann ich nicht sagen. Aber bestimmt hat er nicht mehr viele Freunde, denn wer will sich das ständige Klagen und die Vorwürfe anhören?«
    »Ein Teufelskreis, fürwahr.«
    »Der dazu führt, dass er bei allen anderen die Verantwortung für die Misslichkeiten sucht, die ihm widerfahren. Und doch hat er manche Entwicklungen selbst verursacht – ich denke, er hat keinen guten Blick für die Qualität seiner Ware. Dass man sie ihm nicht abnimmt, weil die Konkurrenten bessere und billigere anbieten, ist nicht deren Schuld.«
    »Er braucht einen guten Ratgeber. Oder, Kind, vielleicht hatte er einen und ist nun auf sich selbst gestellt. Ich habe es oft an den Kindern bemerkt, denen ich Lehrer war. Es gibt
solche, die in manchen Fähigkeiten alle Begabung missen lassen. Die zum Beispiel einfach nicht schreiben lernen können. Es hilft da keine Drohung und keine Strafe. Man muss dann sehen, ob man andere Talente fördern kann und ihnen beim Schreiben eben immer Hilfestellung geben.«
    »Ich sollte wohl seine Lehrer oder Lehrherrn ausfindig machen«, sinnierte Alyss vor sich hin.
    »Es war nur ein Exempel, Kind. Es kann auch ganz andere Ursachen haben. Eine schlimme Erfahrung, ein großer Verlust, der ihn unsicher gemacht hat, die wirklich teure Ware zu kaufen, jemand, der ihn schlecht gemacht hat, weil er die falsche erstanden hat. Mag sein, dass er übermäßig empfindsam ist, Alyss. Du sagst, er war dir gram, da du seine Pelze nicht gekauft hast?«
    »Richtig.«
    »Wärst du einem Kunden gram, der deinen Wein verkostet, dann aber bei einem anderen Händler kauft?«
    »Aber nie und nimmer. Und kein Winzer hat es mir je übel genommen, wenn ich den Wein von einem anderen Gut gekauft habe.«
    »Er nimmt es als persönliche Beleidigung – oder hast du ihn beleidigt?«
    »Zumindest nicht willentlich, Pater Henricus.«
    »Ein nicht sehr kluger Handelsmann, der von seiner Ware nicht genug versteht und empfindlich ist, wenn er deshalb keinen Erfolg hat. Ein bedauerlicher Fall, der der Hilfe bedarf, denn er verbittert und verhärtet seine Seele damit.«
    »Wäre ein solcher Mensch in der Lage, aus Rache eine unlautere Tat zu begehen?«
    Pater Henricus seufzte. Alyss wusste, dass er viel lieber an
das Gute im Menschen glaubte, aber doch dann und wann erkannte, dass es Übeltäter gab.
    »Der Herr möge es verhindern, aber ja, wenn die Dämonen übermächtig werden, kann auch das geschehen. Ich habe es schon erlebt, und es hat mich dann immer sehr gedauert, dass derjenige sich mir nicht früher anvertraut hat.« Dann aber flog Erleichterung über sein Gesicht. »Kind, du kannst ihm helfen, denke ich. Geh zu ihm und kaufe ihm für einen rechten Betrag Ware ab. Das wird ihn in seinem Glauben an sich selbst wieder stärken. Lobe seine Pelze und bitte auch deine Freunde, bei ihm zu kaufen.«
    Alyss verschluckte sich beinahe an ihrer Bemerkung, sie nickte

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