Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
V-förmigen Pfeile lösten sich auf, und wie dunkle Rauchwolken einten sich die Schwärme, kreisten umeinander, mal höher, mal niedriger. Tausende, Abertausende mussten es inzwischen sein, und mehr kamen hinzu. Es war, als hätten sie sich verabredet, just hier in der Bucht von Köln aufeinander zu warten, um dann gemeinsam in die warmen Länder des Südens zu ziehen. Manchmal löste sich ein Pulk aus dem Schwarm, bildete wieder seine spitzige Formation und machte sich auf den Weg. Aber noch größer war die Zahl derer, die weiterkreisten, auf Nachzügler warteten. Vielleicht berieten sie sich, tauschten ihre Erfahrungen über die beste Route aus, über nahrhafte Futterstellen. Vielleicht gaben sie den Jungen Anweisungen und lehrten sie die Richtung. Vielleicht fanden sie auch nur Gefallen daran, eine Weile im Aufwind zu kreisen.
    Sie hielt ihren Blick nach oben gerichtet, aber dann merkte sie, dass sich etwas an ihre Beine schmiegte.
    »Das ist ein Anblick, was, Benefiz?«, sagte sie zu dem Spitz und kraulte ihn zwischen den Ohren. »Das lässt an gefüllten Gänsebraten denken, findest du nicht auch? Sie kommen gerade rechtzeitig zu Martini, die grauen Vögel.«
    Benefiz kläffte zustimmend und schielte ebenfalls nach oben. Eine kleine Gruppe Gänse war weit nach unten gekommen und kreiste über dem Weingarten. Alyss konnte die Luft unter ihren Schwingen rauschen hören. Doch plötzlich schlug der Tod zu. Von weiter oben stürzte wie ein Stein Jerkin auf eine Gans. In einem Federwirbel und begleitet von gellenden Schreien brachte er sie nieder. Benefiz schoss los, um nahe bei der Beute zu sein, und Alyss rief den Falken zurück.

    Er zögerte, doch kam er dann gehorsam auf ihre Faust und nahm die Atzung entgegen, die sie ihm zur Belohnung reichte.
    »Benefiz!«
    Der Hund war etwas weniger gehorsam, aber nach dem dritten Anruf kam auch er, den Vogel im Maul, zu ihr getrottet.
    »Das habt ihr beide gut gemacht!«, lobte Alyss die Tiere und beschloss dann, dass es für den heutigen Tag genug der Grübelei und der Jagd war.
    Hilda zeigte sich erfreut über die Gans, die noch ein junges Tier war und damit wohl nicht so sehr zäh sein würde. Es war eines der ersten Male, dass sie Jerkin widerwillig Respekt zollte.
    In der warmen Küche hatten sich an diesem Nachmittag die Jungfern mit ihrer Stopfwäsche versammelt, Frieder und Tilo schnitzten an irgendwelchen Rührlöffeln herum, und Marian spielte mit John eine Partie Schach.
    »Komm an den Herd, Schwesterlieb, es ist kalt draußen.«
    Sie legte den Umhang und die Gugel ab und zog die lehmigen Pantinen aus, bevor sie sich auf der Bank neben der Feuerstelle niederließ.
    »Die Gänse ziehen«, sagte sie in die Stille.
    »Ja, die Gänse ziehen. Und du hast nachgedacht.«
    »Ja, Bruderlieb, ich habe nachgedacht.«
    Er fragte nicht, worüber, er wusste, dass sie es ihm später anvertrauen würde. Und auch John schwieg.
     
    »Merten war hier«, sagte Tilo. »Er hat Euch ein paar Hasenhäute gebracht.«
    Es waren vier graubraune Felle, die noch der Bearbeitung harrten, aber da Arndt nicht zugegen war, der solche Geschenke
immer mit gehässigen Unterstellungen verdarb, legte Alyss sie zusammen und reichte sie Frieder.
    »Bring sie morgen zum Kürschner und lass dir daraus ein Wams nähen. Tilo hat sein Lammfell, du kriegst die Langohren.«
    »Tilo kriegt’nen Lämmerschwanz und Frieder die Hasenfüße«, kicherte Lauryn.
    »Oder beiden heften wir die langen Ohren an ihre Gugeln«, schlug Marian vor.
    Das Geplänkel nahm seinen Lauf, und selbst Hilda hatte einige Vorschläge zu machen, wem die Schnäbel von Schnattergänsen überreicht werden könnten. Aber gutmütig stellte sie einen Korb mit Honigkuchen auf den Tisch und Becher und warmen Würzwein dazu.
    Man bediente sich eifrig, doch John, der das Schachspiel zusammengeräumt hatte, war die ganze Zeit über wortkarg geblieben und hatte sich ganz gegen seine sonstige leichtherzige Art nicht an den Wortwechseln beteiligt. Jetzt machte er Anstalten, die Gesellschaft zu verlassen, aber Alyss hätte ihn gerne zurückgehalten, um ihn aufzuheitern. Darum reichte sie ihm mit einem ihrer seltenen Lächeln ein Stück von dem süßen braunen Kuchen.
    Er sah es an, sah sie an und schüttelte den Kopf. Sehr leise sagte er: »Nicht nötig, Mistress Alyss. Das ist doch schon längst geschehen.«
    Damit wandte er sich ab und verließ die Küche. Als die Haustür zugefallen war, hielt Alyss ihre Hand mit dem Kuchen noch immer

Weitere Kostenlose Bücher