Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
aber eine kühle Hand legte sich auf seine Stirn, als er stöhnte.
»Es ist gut, Marian, Lieber.«
»Catrin?«
Es war nur ein Wispern, das er über die Lippen brachte.
»Ja, du bist bei mir. Kannst du das hier trinken?«
»Versuch’s.«
Sie half ihm, sich etwas aufzurichten, und hielt ihm einen Becher mit einer süßen Flüssigkeit an die Lippen.
Mohnsaft.
Erschöpft sank er zurück und ließ sich wieder in die Dunkelheit fallen. Catrin war da. Catrin, die Ziehtochter seiner Mutter und ihm und Alyss mehr als eine treusorgende ältere Schwester.
Das nächste Mal sickerte graues Licht in das kleine Kämmerchen, und Alyss saß an seinem Lager.
»Was hat der Henker von dir gefordert, Bruderlieb?«
»Heilung. Nur Heilung. War dumm, hab’s nicht ausgehalten.«
»Nein, nicht dumm, Marian. Es wird dir immer wieder passieren.«
»Muss es endlich überwinden!«
»Nein, mein Herz, das musst du nicht. Nur dich wappnen.«
Sie streichelte ihm sacht über die Wange. Nur sehr wenige Menschen wussten von dem Fluch, mit dem er beladen war. Diese unnatürliche Fähigkeit, die Schmerzen anderer zu spüren.
In gleicher Gewalt, in gleicher Heftigkeit. Dieser Fähigkeit wegen wollte er sich zum Heiler ausbilden lassen, denn nur so konnte er den Fluch in eine Gabe wandeln. Doch noch schien es immer wieder über seine Kräfte zu gehen.
»Es ist etwas anderes, Alyss, wenn ich einen Verletzten oder Kranken heile. Da kann ich mich wappnen. Aber Folter …«
Er würgte. Alyss hielt ihm den Kopf, wischte ihm das Gesicht ab und flößte ihm einen warmen Aufguss ein.
Dann senkte sich fiebriger Schlaf wieder über ihn, aus dem er erst lange Zeit später erwachte.
Jetzt war es wieder Catrin, in ihrer grauen Beginentracht, die an seiner Seite wachte.
»Besser, Marian?«
Er fühlte in sich hinein. Die dumpfen Schmerzen in seinen Gliedern waren abgeklungen, die Übelkeit endlich verflogen. Aber er fühlte sich schwach.
»Es geht.«
Mühsam versuchte er sich aufzurichten, und Catrin half ihm dabei.
»Anderthalb Tage hast du jetzt gefaulenzt, mein Lieber. Es wird Zeit, dass du ein wenig Brei zu dir nimmst.«
»Musst du mich so bevormunden?«
»Ja, das muss ich.«
»Na gut. Ich will es probieren.«
Die Schwaden der Benommenheit verflüchtigten sich langsam, und er konnte sich gestatten, sich seinen Erinnerungen an den Abend im Frankenturm zu stellen. Denn trotz der Schmerzens- und Fiebernebel war ein Namen haften geblieben, und was es mit ihm auf sich hatte, versuchte er nun zu ergründen.
Die Glocken läuteten zur Sext, als Catrin mit einer Schüssel Griesbrei mit dicker Sahne und Honig zurückkam, und als er Löffel für Löffel langsam aufgegessen hatte, fühlte sich sein aufgewühlter Magen auch wieder freundlich warm und gefüllt an.
Und er hatte eine Entscheidung gefällt.
»Catrin, kennst du einen Notarius namens Magister Jakob?«
»Nein, Marian. Übertreib nicht, so schlecht geht es dir nicht, dass du schon dein Testament machen musst.«
Es gelang ihm ein kleines Lächeln.
»Nein, so bald will ich den Löffel nicht abgeben. Zumindest nicht meinen eigenen«, sagte er und reichte Catrin Schale und Holzlöffel. »Ich brauch den Rat eines Juristen, und Alyss sprach mit Achtung von dem Mann.«
»Gut, ich frage Frau Clara, und wenn sie ihn nicht kennt, wird deine Schwester weiterhelfen.«
Wie es sich zeigte, kannte die Meisterin den Notar, zumindest dem Namen nach. Ein Bote wurde ausgeschickt, und als eine blasse Nachmittagssonne die Kammer erhellte, trat der hagere Magister Jakob an Marians Lager.
»Ihr habt nach mir rufen lassen, Herr?«
»Ja, Magister Jakob. Ich brauche Eure Unterstützung in einem Rechtsfall.«
»Ich bin befugt, dafür ein Honorar zu erheben.«
»Natürlich, Magister Jakob. Ich bin befugt, es Euch zu zahlen.«
»So sprecht denn.«
Alyss hatte ihn von der seltsamen, völlig gefühllosen Stimme und dem verknöcherten Gebaren des Mannes berichtet, aber es in natura zu erleben, verursachte Marian eine unziemliche
Heiterkeit. Doch er besann sich auf sein Anliegen und schilderte dem Notarius den Fall des Fuhrmanns Janis Fuhrer, der, von Houwschild geprellt, nicht wagte, den Pelzhändler anzuzeigen, weil er überzeugt war, kein Recht zu bekommen.
»Der Fall würde mich wenig berühren, Magister Jakob, wäre Houwschild nicht in anderem Zusammenhang in unsere Aufmerksamkeit getreten. Wir haben den Verdacht, dass er sich in anderen Fällen der Verleumdung, der üblen Nachrede und möglicherweise
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