Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
sehen, welche Antworten ich für Euch in Euren sauberen, glatten Händchen finde.«
Ein Schemel wartete auf sie, und nachdem Alyss darauf Platz genommen hatte, hockte sich Gislindis vor sie. Unaufgefordert reichte Alyss ihr ihre Linke.
Wie üblich strich die junge Frau zart mit ihren Fingern über die Linien, drückte aber dann unerwartet fest auf das Handgelenk.
»Euer Herz schlägt geschwind, wohledle Frau. Wer macht es klopfen? Der schöne Falkner mit den heißblauen Blicken, die er unter schweren Lidern verbirgt?«
Das war wieder einmal eine völlig unerwartete Antwort, die Alyss eigentlich nicht hören wollte, aber sie konnte es nicht verhindern, dass ihr Herz sogar noch schneller schlug.
»Er treibt sich viel herum, der blonde Händler, und nicht nur, um seine Tuche zu verkaufen. Welch hohe Aufgabe habt Ihr ihm gestellt, dass er mit Gecken und Müßiggängern in Tavernen sitzt?«
»Dazu braucht er keine Aufgabe, Gislindis, saufen und huren tut er zu seinem Vergnügen«, fauchte Alyss.
»O nein, wohledle Frau, Vergnügen hat er nicht daran.«
Die Finger glitten zurück zu ihrer Handfläche. Malten Kuppen und Vertiefungen ab. Verflochten sich dann mit ihren Fingern.
Gislindis sah auf.
»Es ist nicht die Zeit für solche Antworten. Sie werden sich von selbst finden, wenn das Schicksal es wünscht. Nun stellt mir die Frage zu den Pelzhändlern.«
Nein, sagte sich Alyss, sie würde nicht mehr verblüfft sein über das Wissen der Schleiferstochter.
Aber sie war es doch.
»Was wisst Ihr von Houwschild und seinen Hausarmen?«
»Ein armer Mann, weit ärmer als Heini und Ebby. Arm an Freude, arm an Vertrauen, arm an Liebe. Mats schärfte vergangene Woche seine Messer.«
»Und lauschte seinen Klagen.«
»Tat er.« Gislindis lächelte.
Alyss ebenfalls.
»Je nun – die Frau in Riga -, sie hat seine Werbung nicht erhört, weil man ihr Unwahrheiten über ihn erzählt hat. Er habe sich von den Pelzlieferanten übervorteilen lassen, munkelte man. Was der wohledle Herr nicht glauben will.«
»Ja, der Glaube …«
»Er bestimmt das Leben. Und so glaubt er denn auch, der Kapitän habe mit seinem Handelsknecht gemeinsame Sache gemacht, weshalb die Lieferung zu spät eintraf. Der Nachbar hat ein Loch in den Zaun geschlagen, und nun hat er die Ratten im Keller, die seine Pelze annagen. Der Milchhändler hat ihm saure Milch verkauft, dem Fuhrmann musste er den Wachen melden, denn er ist Umwege gefahren und hat einen Teil seiner Ware unterwegs verkauft.«
»Tatsächlich?«
»Er sieht es so.«
»Was ist mit den Hausarmen?«
»Seine Freunde. Sie schmeichelten ihm. Aber nun sind sie fort.« Gislindis schloss die Augen. »Ich werde hören. Aber von Eurer Krone weiß ich nichts.«
Alyss wusste, dass ihre Finger zuckten, und Gislindis’ Griff wurde einen Moment lang fester.
»Ich weiß manches von Euch, wohledle Frau, das Ihr selbst nicht wisst. Und das Ihr besser auch nicht erfahrt. Aber«, und hier wurde ihre Stimme noch leiser, »Ihr seid ein freundliches Weib und immer gerecht zu mir gewesen. Ich helfe Euch, wenn Not besteht. Euch und Eurem süßen Bruder.«
Nun verstärkte Alyss ihren Griff, dann löste sie ihre Finger aus denen von Gislindis.
»Er sucht nach einem Geschenk für Euch. Beschämt ihn nicht.«
»Es war ein Scherz, wohledle Frau. Ich brauche keine Geschenke.«
»Doch, solche braucht auch Ihr.«
Gislindis’ graue Augen schillerten. Dann sagte sie: »Gebt acht auf ihn. Der Henker verlangt zu viel von ihm.«
»Was?«
»Ich weiß nicht was. Kümmert Ihr Euch darum. Und nun geht, mehr Zeit kann ich Euch für einen Silberling nicht opfern.«
Mehr wusste sie nicht. Das verstand Alyss vollkommen richtig. Sie verabschiedete sich um einige kleine Mosaiksteinchen reicher, die sie in das Bild einfügen musste, um der Wahrheit auf den Grund zu kommen.
Ihren Bruder wollte sie so bald wie möglich ins Gebet nehmen.
Doch damit kam sie zu spät.
31. Kapitel
E s war kurz nach Einbruch der Dunkelheit, als der Bote Marian diesmal zum Frankenturm rief. Während er sein warmes Wams überstreifte, sich die Gugel über Schultern und Kopf legte und seine Tasche ergriff, wurde er eine böse Vorahnung nicht los. Der Frankenturm war nicht eben die Stätte, an der Kranke und Verwundete geheilt wurden. Im Gegenteil, er war der Ort der peinlichen Befragungen.
Trotzdem machte sich Marian auf den Weg und stapfte hinter dem Fackelträger her. Meister Hans hatte ihm bei seinem ersten Gespräch versichert, dass er
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