Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
schob ihm den Arm unter die Schultern und hob ihn so weit an, dass er ihr aufrecht in die Augen sehen konnte. »Du kannst kein Heiler sein, wenn du dabei derart krank wirst.«
»Catrin, ich muss lernen.«
»Nicht auf diese Weise. Nach dem Anfall gestern wirst du deinen Eltern sagen müssen, was du treibst.«
»Ja, und sie werden es mir verbieten. Es ist schrecklich, Catrin. Ach, lass mich los, ich kann alleine sitzen!« Zornig richtete Marian sich auf und starrte aus dem Fenster. »Ich muss aus ihrem Haus ausziehen. Ich kann nicht jedes Mal, wenn ich etwas unternehme, Rede und Antwort stehen!«
»Und wo willst du wohnen?«
»Bei Alyss zum Beispiel.«
»Und du glaubst, sie würde keine Fragen stellen und sich sorgen, wenn du nächtelang fortbleibst?«
»Doch, ja, sie würde das auch. Dann muss ich eben eine eigene Wohnung nehmen.«
»Dann werden sich deine Nachbarn oder deine Aufwärterin sorgen. Und selbst wenn du ein Weib nimmst, kommst du aus dieser Verantwortung nicht heraus.«
»Ich will aber nicht, dass man sich Sorgen um mich macht!«
»Trotzig wie ein kleines Kind!«, sagte Catrin. »Du wirst es nie verhindern können, Marian.«
»Aber warum nicht?«
»Weil du ein liebenswerter Mann bist und weil die Menschen dich mögen. Und wen man mag, um den sorgt man sich.«
»Mist Maria!«
»Wie deine Mutter sagt. Tja, Marian, das ist das Schicksal der Freundlichen.«
»Dann werde ich wohl böse werden müssen«, erwiderte er mit einem schiefen Lächeln.
»Und wie willst du das nun schon wieder anstellen?«
Er gab seine aufrechte Haltung wieder auf und streckte sich im Bett aus. Die Schwäche steckte noch in seinem Leib.
»Lass mich ein wenig nachdenken, Catrin.«
»Über deine Bösartigkeit? Natürlich.«
Doch das war nicht sein Bestreben. Es waren viele andere Gedanken, die er bewegen musste, und das, obwohl sein Hirn noch immer ziemlich langsam arbeitete. In einer Sache musste er wohl nachgeben, zu seinem eigenen Nutzen und Frommen. Für Meister Hans konnte er nicht mehr arbeiten, da hatte Catrin vollkommen recht. Aber auch die Geschichte von Janis Fuhrer ging ihm nicht aus dem Sinn. Houwschilds Handeln erschien ihm immer fragwürdiger, je mehr er von ihm hörte. Einen Frachtführer nicht ordentlich zu entlohnen war, sofern der seine Arbeit anständig erledigte, ein äußerst schäbiges Verhalten. Magister Jakob würde Hintergründe herausfinden, aber angenommen … Marian stellte wieder eine These auf, um die Bahnen seines Denkens in Schranken halten: Angenommen, Fuhrer hatte sich nichts zu Schulden
kommen lassen, dann war Houwschilds Verhalten unrecht. Warum tat er dieses Unrecht? Weil seine Ware durch den Transport von Riga nach Köln teuer wurde. Und weil er sie hier nicht mit dem erhofften Gewinn verkaufen konnte.
Er musste, sollte er schon zuvor solche Verluste erwirtschaftet haben, allmählich in Schwierigkeiten kommen und Geld benötigen. Wenn er schon Fuhrer um seinen Lohn prellte, dann war der Schritt nicht mehr sehr groß in Richtung anderer unrechter Mittelbeschaffung. Entführung und Erpressung waren dann nur eine nächste Maßnahme. Und Aldenhoven verdiente gut, er hatte ein schönes Haus, ein volles Lager und schien für seine Rauwaren angemessene Preise zu erzielen.
Aber was war mit der Brautkrone seiner Schwester?
Über diesen Umstand grübelte er noch immer nach, als Catrin nach dem Vesperläuten mit einem Korb voll Brot, gesottenem Huhn, warmem Wein und kleinen Gewürzkuchen erschien.
»Frau Clara erlaubt uns beiden, hier unser Nachtmahl einzunehmen.«
»Ich sollte aufstehen und nach Hause gehen.«
»Eine Nacht wirst du noch hier verbringen. Es ist besser, du stehst sicher auf deinen beiden Beinen, wenn Herr Ivo sein Donnerwetter über dich niedergehen lässt.«
»Auch wahr.«
Und als er, nun schon wieder mit etwas mehr Appetit, sein Mahl verzehrt hatte, stellte er Catrin die Frage, die ihn die ganze Zeit bewegte.
»Kannst du dir vorstellen, Catrin, wer Alyss’ Brautkrone genommen haben könnte?«
»Ich dachte, ihr ginget davon aus, die Entführer des Kleinen
hätten sie mitgenommen. Aber natürlich … Ich bin dumm. Man muss sich ja fragen, woher sie von diesem Schatz in Alyss’ Truhen wussten, nicht wahr?«
»Eben. Diese Frage stellen wir uns seit geraumer Zeit. Und meine Gedanken dazu scheinen nur noch im Kreis zu gehen. Hättest du einen besseren Einfall als Alyss und ich?«
»Nun, die Krone ist ein wunderschönes Stück Goldschmiedearbeit. Schönheit schafft
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