Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
Ehepaar auf seinen Klappstühlen auf der anderen Straßenseite der Långholmsgatan bequem gemacht. Von dort behielten sie abwechselnd den Tatort im Blick und konsultierten ihre Tablet-Computer, auf denen in regelmäßigen Abständen neue Verhörprotokolle eintrafen.
»Man kann über die Stockholmer Polizei ja so einiges sagen«, meinte Jorge Chavez, »aber sie haben ihre Effektivität gehörig gesteigert.«
»Hast du bis jetzt auch acht Zeugenaussagen geschickt bekommen?«, fragte Sara Svenhagen und fuhr mit ihrem Finger über den Bildschirm.
»Ich habe neun«, sagte Chavez. »Gerade ist die von dem Transvestitenpaar gekommen.«
»Mir gefällt das gar nicht, dass dein Tablet-PC schneller aktualisiert als meiner.«
»Ich habe die Chefausgabe. Ein bisschen besser, ein bisschen schneller.«
»Man nennt das auch behindertengerecht.«
»Ich glaube, wir können jetzt zum Tatort gehen.« Chavez sah auf die andere Straßenseite. »Und ich glaube, wir kommen in diesem Fall weiter, wenn wir uns mit Kim und Jamie Lindgren beschäftigen, wohnhaft in der Högalidsgatan. Aber zuerst gehen wir rüber.«
Der letzte Streifenwagen hatte soeben den Tatort vor Mickes CD & Vinyl verlassen. Langsam normalisierte sich das Treiben auf dem Bürgersteig. Der Alltag kehrte wieder ein und zog seine schützende Decke über Hornstull, und die Menschen liefen in glückseliger Unwissenheit über die Stelle, wo der Blutfleck gewesen war. Allerdings war das Wort Fleck hier nicht besonders zutreffend. Es hatte sich eher um einen Binnensee gehandelt. Als hätte nicht ein Mensch, sondern ein Nashorn bei einem bizarren Blutsturz sein gesamtes Blutvolumen auf die Straße ergossen.
Als sie die ersten Polizeiaufnahmen vom Tatort gesehen hatten, etwa eine Viertelstunde nach der Tat, hatten sie – ohne viele Worte darüber zu verlieren – gewusst, dass sie sich das vor Ort ansehen mussten. Hier handelte es sich um etwas äußerst Ungewöhnliches.
Eine eindeutig professionelle Tat.
»Das Bemerkenswerteste ist aber doch gerade«, hatte Sara Svenhagen gesagt, nachdem sie sich auf ihrem Klappstuhl niedergelassen hatte, » diese Zurschaustellung der Professionalität.«
»Zurschaustellung?«, wiederholte Chavez, während er noch mit seinem Stuhl kämpfte.
»Ein so professioneller Mörder hätte die Tat doch ohne Weiteres als Unfall tarnen können.«
»Stimmt. Und welche Schlüsse ziehst du daraus?«
»Es war eine Warnung?«
»Vielleicht. Aber könnte es sich nicht auch genauso gut um einen Wahnsinnigen mit Schlachterkenntnissen handeln?«
»Das glaubst du doch wohl selbst nicht«, entgegnete Sara Svenhagen.
Jorge Chavez seufzte, beendete seinen Nahkampf mit dem Klappstuhl und ließ sich darauf sinken. »Du meinst also, dieser dänische Professor Niels Sørensen von der Königlich Technischen Hochschule in Stockholm wurde von einem Auftragskiller umgebracht, aber um wen zu warnen?«
»Warum sind wir hier?«, fragte Svenhagen schulmeisterlich.
»Das fragen sich die da drüben auch«, sagte Chavez und zeigte mit dem Finger auf die andere Straßenseite. Die Geste wurde von einigen Polizisten in Zivil erwidert. Chavez erkannte einen Kommissar von der Stockholmer Polizei wieder, mit dem er nicht nur positive Erfahrungen gemacht hatte. Er winkte ihm fröhlich zu. Der Kommissar grüßte nicht zurück.
»Ich glaube, Bennos Lippen haben gerade das Wort ›Beobachter‹ geformt«, sagte Svenhagen und winkte dem Mann ebenfalls zu.
»Ach ja, ich fand, es sah eher aus wie ›Dreckskerle‹«, sagte Chavez. »Allerdings hatte ich vergessen, dass er Benno heißt.«
»Der Vorteil an einem eigenen Büro ist, dass wir unverhohlen observieren und beobachten können«, sagte Svenhagen.
»Wenn der Chef es erlaubt«, fügte Chavez hinzu.
»Also, Chef, warum sind wir hier? Es deutet nichts darauf hin, dass sich Professor Sørensen einer Sache verschrieben hatte, die es wert war, deswegen von einem Profikiller ermordet zu werden.«
»Und genau deshalb sind wir hier. Sowohl das private als auch das berufliche Umfeld von Niels Sørensen ist bis jetzt erst äußerst rudimentär durchleuchtet worden. Dennoch kann die Frage meiner Gattin vorläufig stark vereinfacht folgendermaßen beantwortet werden: Wir sind hier, weil es sich bei dem Toten um einen hochkarätigen dänischen Forscher der Chemietechnik handelt, der in Schweden an einem gesamteuropäischen EU-geförderten Forschungsprojekt beteiligt war, über das wir bisher nicht das geringste Detail in Erfahrung
Weitere Kostenlose Bücher