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Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues

Titel: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Ironside
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stirbt. Keiner von uns hat besondere Beziehungen zum Tod. Die A nzeichen, dass wir irgendwann sterben werden, sind doch schon vom Tag unserer Geburt an vorhanden.«
    Wir Oldies haben jahrelang Zeit gehabt, uns an den Gedanken zu gewöhnen, dass wir irgendwann sterben müssen. W ir sollten uns wirklich nicht so anstellen und uns vor allem nicht so vor dem Tod fürchten. W ir sollten den jungen Leuten vielmehr ein Beispiel geben, ihnen zeigen, dass der Tod eine willkommene Erlösung ist, wenn das Leben eine allzu große Last wird. Oder wenn einem klar wird, dass man lange genug auf der Party herumgesessen hat und die Gastgeber sogar schon anfangen, zu gähnen und heimliche Blicke auf die Uhr zu werfen.
    Außerdem ist jetzt sowieso
eine günstige Zeit zum Sterben
    Noch so ein Plus für uns Oldies. W ir befinden uns in einer Rezession und werden sie so schnell auch nicht wieder los. Die globale Erwärmung (wenn man daran glaubt) verheißt das Ende der W elt, wie wir sie kennen. Und ehrlich gesagt wüsste ich auch nicht, was am Horizont noch Interessantes auf die Menschheit wartet. W enn ich, sagen wir, in der Renaissance gestorben wäre, hätte ich mir schon vor Frust in den Hintern getreten. A ll die Kunstwerke, die Gemälde, die ich verpasst hätte! A ll die atemberaubenden Erfindungen und neuen Theorien, die damals in der Luft lagen! A ber jetzt? Ich will ja nicht als Miesmacher dastehen, aber worauf bitte schön könnte man sich heutzutage freuen? Die Literatur hat einen toten Punkt erreicht, ja, das Buch an sich scheint langsam überflüssig zu werden. Bald werden wir alles nur noch von irgendwelchen kleinen Bildschirmen lesen müssen– eine V orstellung, bei der ich jetzt schon einen steifen Nacken bekomme. Die moderne atonale Musik kann man kaum anhören, und aus der letzten Kunstausstellung, die ich besuchte, bin ich schreiend davongelaufen. A lles wird von Maschinen erledigt, nicht mal mehr bei der A uskunft hat man es mit einem lebenden Menschen zu tun. Unsere Individualität geht flöten, alles wird immer uniformer, wir inbegriffen. Das letzte Mal, dass ich einen A nflug von echter Begeisterung über das, was sich in der W elt abspielt, hatte, war in den Sixties. Und ich glaube nicht, dass dieses Gefühl des Überdrusses nur wir Oldies haben. Es liegt ein Fin-de-siècle -Geist in der Luft, ein Gefühl, dass es so nicht mehr lange weitergehen kann, dass unsere moderne Zivilisation am Ende ist.
    Eine gute Zeit, um auszusteigen, finde ich.
    Ist der Tod nicht einfach faszinierend?
    Ich habe schon mehr als einen Menschen sterben sehen, und alle sind sie am Ende ganz friedlich gegangen. A lso: Kein Grund zur Sorge. V iele waren sogar froh. Selbst Freud hat 1936 in einem Brief an einen Freund geschrieben: » Ich kann mich einfach nicht an die Leiden und Nöte des A lters gewöhnen und freue mich jetzt schon auf die Reise ins Nichts.«
    Keinen, den ich beim Sterben begleitet habe, hat sich vor dem Ende gewehrt, hat zornig die Faust geschüttelt, hat » gegen das V erblassen des Lichts gewütet«, wie Dylan Thomas schrieb. Tatsächlich waren die letzten W orte von drei Freunden sogar ausgesprochen höflich. Sie sagten » Danke« für einen kleinen Liebesdienst und schlossen dann für immer die A ugen. Und ein junger V erwandter sagte einen Tag vor seinem Tod zu mir: » Weißt du, V irginia, mein Körper schaltet jeden Tag ein bisschen mehr ab– ich kann nicht mehr aufstehen, kann kein Glas mehr an die Lippen führen–, und es ist komisch, aber es macht mir überhaupt nichts aus. Ich kann dir gar nicht sagen, wir furchtbar interessant das alles ist.«
    Das ist die richtige Einstellung.
    Was ist überhaupt so toll am Leben?
    Das Problem ist, dass viele Menschen es als einen W ettbewerb ansehen, so alt wie möglich zu werden. A ls der A utor und Dramatiker Simon Gray erfuhr, dass er nur noch ein Jahr zu leben habe, wurde ihm bewusst, wie verquer seine A uffassung vom Tod eigentlich immer gewesen war. Man habe es bis zu diesem oder jenem A lter » geschafft«, oder dieser oder jener hätte » gut und gerne noch zwanzig Jahre mehr machen können«.
    Wenn man die A lternative betrachtet, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass A ltsein nur halb so schlimm ist. Denn was wäre denn die A lternative? Ewig zu leben? Nein danke.
    Übrigens wird der W unsch nach Unsterblichkeit nirgendwo so deutlich wie in Miami, das nicht umsonst auch als » Wartezimmer Gottes« bekannt ist. A ls ich kürzlich dort war und mit dem Lift von

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