Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
ist, denn nicht selten fühlt sich das bezahlte Personal von den Freiwilligen bedroht, die ihre A rbeit oft besser machen (zumindest mit mehr Freude und Begeisterung) als die in Lohn und Brot stehenden Kollegen.
Aber Sie könnten ja auch Glück haben und nicht genommen werden. A ls ich in meinem W ohnviertel anbot, freiwillige Jugendarbeit zu leisten (eine A rbeit, für die ich, das weiß ich, sehr gut geeignet wäre), hörte man nur meinen gepflegten South-Kensington-Akzent und erwiderte brüsk, dass alle Posten besetzt seien.
Wenn Sie gerne arbeiten, Ihre Erfahrungen einbringen, mit Menschen zu tun haben und bewundert werden möchten– ohne dabei zu viele V erpflichtungen einzugehen–, dann würde ich Ihnen empfehlen, sich in die Gemeindearbeit zu stürzen– mit anderen W orten: Ihre Nase in die A ngelegenheiten Ihrer Mitmenschen zu stecken.
Wenn es noch keinen A nwohnerverein in Ihrer Nachbarschaft gibt, dann gründen Sie einfach einen. W enn es aber doch schon einen gibt, dann werden Sie eben Mitglied und kämpfen Sie sich bis in den V orstand. Besuchen Sie die öffentlichen Sitzungen der örtlichen Polizei. Engagieren Sie sich bei der Nachbarschaftswache. Halten Sie Ihre A ugen offen für unpassende Bau- oder V erkehrsprojekte in Ihrem Stadtviertel. Opponieren Sie. Gewinnen Sie die Zustimmung des A nwohnervereins und gehen Sie gegen diese Projekte vor. Organisieren Sie Protestmärsche, Petitionen, Zusammenkünfte und Demonstrationen. W erden Sie eine richtige Nervensäge: Schreiben Sie Leserbriefe an die Zeitungen. Legen Sie W iderspruch gegen Gebühren für Falschparken ein. Kaufen Sie sich einen A bfallstock und patrouillieren Sie sonntags durch Ihr V iertel, picken A bfall auf und werfen ihn demonstrativ in öffentliche A bfalleimer. Spähen Sie hinter Ihrem V orhang hervor und notieren Sie sich die Nummernschilder von Bauarbeitern, die illegal Bauschutt auf die Straße werfen. Bearbeiten Sie den örtlichen Stadtrat so lange, bis er Recyclingtonnen aufstellen lässt. Bearbeiten Sie ihn, bis er überflüssige Tonnen entfernen lässt. Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Unser A nwohnerverein hat es beispielsweise geschafft– in Zusammenarbeit mit anderen A nwohnervereinen – den Bau einer Trambahnlinie zu verhindern, die durch unsere Hauptstraße führen sollte. Ein Plan, den kein geringerer als Ken Livingstone, der wohl bekannteste Londoner Bürgermeister, erdacht hatte– und Ken Livingstone war nicht gerade als Mann bekannt, der sich leicht von seinen Zielen abbringen lässt.
Man wird Sie als Ärgernis betrachten, vielleicht sogar als nervtötende alte Schachtel, aber persönliches Engagement bei der Gemeindearbeit ist eine wunderbare A rt, die Bewohner Ihres Stadtviertels kennen zu lernen und Einfluss auszuüben. So sehr sich die Leute auch über Sie ärgern mögen, es bringt sie dazu, einander kennen zu lernen und das berühmte » Gemeinschaftsgefühl« zu entwickeln.
Selbstverständlich ist Gemeindearbeit keine A rbeit, wie Sie sie kannten– aber dennoch A rbeit.
9. Sich verkleinern
Achtzig Jahre! Keine A ugen mehr, keine Ohren mehr, keine Zähne mehr, keine Beine mehr, kein A tem mehr! Und das Erstaunlichste ist, dass man letztlich auch ohne das alles auskommt!
Tagebuch – Paul Claudel
Wenn man älter wird, schrumpft alles. Oder sollte es zumindest. Und ich finde das ganz gut. A nstatt sich nach der Eroberung neuer W elten zu sehnen, möchte man sich auf und in sich selbst zurückziehen. Man will nicht mehr expandieren, man will kontrahieren. Für mich ist das keineswegs deprimierend. Es ist wie das Reduzieren einer Soße, die erst nach stundenlangem Einkochen ihren richtigen Geschmack bekommt.
Wir Oldies halten nicht viel von übertriebenem Konsum. Nicht nur, dass wir– hoffentlich– relativ gesättigt sind, sowohl materiell als auch emotional, wir wissen überdies aus langer Erfahrung, dass der Erwerb von noch mehr materiellen Gütern uns nicht glücklicher macht. Neuanschaffungen bedeuten nur zweierlei: erstens weniger Platz und zweitens mehr zum A bstauben.
Als ich kürzlich an einer Kreuzfahrt (siehe Reisen) teilnahm, ist mir aufgefallen, dass die Horde der mitreisenden Senioren bei den Landgängen die Souvenirbuden und fliegenden Händler tunlichst mied. Ein alter Herr sagte seufzend zu mir: » Ich habe genug russische Matrjoschkas und genügend Kastagnetten. Ich besitze jede Menge Tonfiguren mit Strohhüten auf den Köpfen, die auf Toneseln sitzen. Mein Ziel ist es,
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