Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
unserer Generation jedoch, wie wir aus dem, was wir haben, etwas machen können.
Untermieter
Vielen jungen Leuten würde es nicht im Traum einfallen, einen Untermieter bei sich aufzunehmen. Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt noch » Untermieter« heißt– bei diesem W ort denkt man doch automatisch an magere, staubige Bankangestellte, die mit einer flackernden Kerze in der Hand steile, mit schäbigem Teppichboden belegte Treppen zu ihrer Kammer hinaufsteigen…
Aber immer wenn ich ein Zimmer in meinem Haus frei hatte, habe ich einen Untermieter reingestopft. Ich bin sicher, ich könnte in Krisenzeiten sogar mehrere Familien in der A bstellkammer unter der Treppe unterbringen.
Was soll’s?
Wir Oldies sind harte Zeiten gewöhnt– und erwarten nicht viel vom Leben. W ir sind im Kalten Krieg aufgewachsen, was einen gewissen Nihilismus fördert: W as nützt das alles noch, fragte man sich zu meiner Zeit, wenn jeden Moment ein A tomkrieg ausbrechen und die W elt vernichten könnte? Diese Ungewissheit hat uns zynisch und skeptisch gemacht. A bfalltrennung? Bullshit. W ir horten trotz der Bedrohung durch eine globale Erwärmung unsere stromfressenden Glühbirnen. Das ist kein Egoismus, es liegt vielmehr daran, dass wir unser ganzes Leben lang unter wechselnden Bedrohungen gelebt haben– angefangen bei Hölle und Fegefeuer, mit denen man uns in der Sonntagsschule drohte, über die Schweinebucht und einen unmittelbar drohenden A tomkrieg, über A IDS, das angeblich die W eltbevölkerung ausrotten würde, bis hin zur V ogelgrippe– nein, wir haben den Ruf » Wolf!« zu oft gehört, um ihn noch glauben zu können.
Selbstangebautes
Viele von uns besitzen ein eigenes Gärtchen. Unsere Bekannten haben uns ausgelacht, als wir mit Körben voller selbstgezogener Tomaten die Runde machten und uns gegen Ende der Saison gezwungen sahen, tonnenweise grünes Tomatenchutney in alten Nescafégläsern einzumachen. Jetzt haben wir so viel Gemüse, dass wir die Lachenden sind. W er weiß, vielleicht wird bald der Tauschhandel wieder eingeführt, dann können wir unser Gemüse für Handwerkerdienste eintauschen oder unsere Bohnen und Birnen auf dem Schwarzmarkt verkloppen. A ußerdem können wir Eigenheimbesitzer ins Gartenhäuschen ziehen, wenn unser Haus bis zu den Dachbalken vollgestopft ist mit Untermietern, und nur gelegentlich im Haus vorbeischauen, um ein Bad zu nehmen oder die Miete zu kassieren.
Im Geschichtsunterricht haben wir gelernt, dass nur die Iren mit Runkelrüben-Vorräten und Schießeisen die große Hungersnot überlebt haben. Sobald ich also zu einer Knarre komme, werde ich meinen Garten in einen Gemüseacker verwandeln, einen Stacheldrahtzaun drum herum bauen, mich im Gartenhäuschen verschanzen und nur gelegentliche A usfälle unternehmen, um all das Bargeld auszugeben, das sich unter der Matratze meiner Campingliege angesammelt hat.
Zurück zur Kindheit
Für uns Oldies, die wir in den vergleichsweise frugalen Fünfzigerjahren aufwuchsen, ist der Gedanke, zu einer neuen Sparsamkeit zurückfinden zu müssen, vielleicht sogar verlockend. Selbstredend meine ich damit nicht die Sparsamkeit, die man aus echter A rmut an den Tag legen muss– weil man von Sozialhilfe lebt oder kurz davor steht, sein Haus zu verlieren. Ich meine vielmehr die Sparsamkeit, wie sie die mehr oder weniger gut gestellte Mittelschicht übt, jene also, die sich ein Buch wie dieses kaufen würden. W äre es nicht ein schöner Gedanke, den Toast mal wieder am offenen Kamin (im Gegensatz zu einem elektrischen) rösten zu können? Über einem Feuer, das wir A lten noch zu entzünden gelernt haben? Gefolgt von einer geselligen Runde, Scharaden oder Rommé? W ir Oldies gehören ja noch einer Generation an, die sich selbst zu beschäftigen weiß und nicht auf elektrische Geräte angewiesen ist.
Wir sehen unseren Lebensinhalt nicht in unendlichen Shoppingtouren, so wie die Jüngeren, wir definieren uns nicht ausschließlich über das Fernsehprogramm des vorangegangenen A bends– nein: Wir haben noch andere Ideen. W ir können beispielsweise einen A bend in Gesellschaft eines guten Buchs erquicklicher finden als Fernsehen oder A usgehen.
Ich fühle mich oft fremd in der glitzernden Konsumwelt von heute. Ich kann nicht fassen, wie man 500 Paar Schuhe besitzen kann– oder sogar nur mehr als sechs (inklusive Hausschuhe). Ich bin gern shoppen gegangen, aber nie bis zum Umfallen. W ir Oldies tun das gewöhnlich nicht. Ein Glück für uns.
Man
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