Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
Fußkrankheiten oder die Senioren von heute. Jetzt halte ich V orträge vor der Kolostomiegesellschaft und benutze meinen Stock, um sicher vom Podium runterzukommen, denn mein Gleichgewichtsgefühl hat trotz der morgendlichen Flamingoübung deutlich nachgelassen. (Ob Mick Jagger die gleichen Probleme hat?)
Selbst das A nkleiden kann mittlerweile zum Problem bei mir werden. Haben Sie je ein Kleid angehabt, aus dem Sie später nicht mehr rauskamen? Ich habe es neulich geschafft, mich in ein derart enges Kleid zu pressen, dass ich es später beim besten W illen nicht mehr ausgezogen bekam. Es gelang mir einfach nicht, meine A rme weit genug nach hinten zu biegen, um den Reißverschluss wieder aufzukriegen. A m Ende musste ich mir eine Schere suchen und vorsichtig eine Naht auftrennen, bevor ich wieder freikam.
Auch das Thema Seidenstrümpfe– beziehungsweise: wie man sie ankriegt– ist ein leidiges. Ich bevorzuge mittlerweile die Igelmethode: Ich werfe mich rückwärts aufs Bett, strecke die Beine in die Luft und ziehe die Strümpfe so über meine Beine. A uf diese W eise muss ich sie runterziehen, was mir dieser Tage viel leichter fällt als hochziehen.
Immerhin bin ich bislang noch in der Lage, mir die Schuhe selbst zuzubinden.
Und ich schaffe es gerade noch so, mich auf den Boden zu setzen. (Wieder hochkommen ist natürlich eine andere Sache.) A ber mit den Kindern auf dem Teppich knien, um ein Puzzle zu machen? A utsch!, kann ich da nur sagen. W as passiert eigentlich mit den Knien, wenn man älter wird?!
Einen Treppenlift habe ich mir zwar noch nicht bestellt, ziehe die Möglichkeit aber ernsthaft in Erwägung.
Immerhin bin ich bis jetzt noch nicht geschrumpft. W enn die Leute ihre alten Lehrer oder Kindermädchen wieder sehen, staunen sie immer, wie klein diese sind. A ber das liegt nicht nur daran, dass die früheren Schützlinge nun so viel größer geworden sind– die alten Pädagogen sind bestimmt auch ein ganzes Stück geschrumpft. Irgendwann wird es so weit kommen, dass wir zueinander sagen: » Gottchen, ich kann mich erinnern, dass du mal bis hier gingst!« A ber dabei halten wir die Hand nicht etwa einen Meter über den Boden, sondern strecken den A rm auf eins achtzig hoch.
Nein, einen Rollator hab ich noch nie gebraucht. A ber diese A ussicht erscheint mir weit weniger schlimm, seit eine gute Freundin zeitweilig gezwungen war, sich mit einer solchen Gehhilfe fortzubewegen. Sie hat sich das, was von ihren Haaren noch übrig war, knallrot gefärbt und ihren Rollator mit einer Kette blinkender rosa Lichter umwickelt; die Batterie hielt sie in ihrer Tasche versteckt. Die W irkung war einfach spektakulär.
Augen
Da ich mein Leben lang kurzsichtig gewesen bin, gehöre ich nun zu den Glücklichen, die nur noch ohne Brille lesen können– noch so eine Laune des A lters. Ich scheine aber eine A usnahme zu sein– die meisten meiner Bekannten können keine Speisekarte lesen, ohne vorher die Brille aufzusetzen. Und nicht nur das. Neulich sagte eine Freundin zu mir: » Ich brauche die Brille nicht nur zum Lesen der Speisekarte, ich muss sie auch beim Essen aufbehalten, sonst finde ich meinen Teller nicht mehr!«
Das eigentliche Problem für unsere A ugen ist allerdings die Dunkelheit: A lte Leute benötigen zwei Drittel mehr Licht, um gut sehen zu können, als junge Leute. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es im W ohnzimmer und im Schlafzimmer immer dunkler wird? Das liegt nicht etwa an zu schwachen Glühbirnen, sondern daran, dass Sie nicht mehr so gut sehen wie früher. Die meisten alten Leute scheuen sich davor, nach Einbruch der Dunkelheit noch A uto zu fahren. Und was Museumsbesuche betrifft: Vergessen Sie’s. Zumindest irgendwelche Kostüm- oder Gemälde-Ausstellungen, die heutzutage nur sehr spärlich beleuchtet sind, um die Leuchtkraft der Originalfarben zu erhalten. Die meisten von uns Oldies müssen dann nicht nur im Großdruckkatalog Zuflucht suchen, sondern außerdem eine starke Taschenlampe mitbringen.
Abgesehen von den üblichen altersbedingten A ugenkrankheiten wie Grauer Star und Degeneration der Retina, ist das Irritierendste das A uftauchen dieser kleinen schwarzen Flecken, die einem vor den A ugen tanzen. Man nennt sie mouches volantes, im Englischen floaters genannt, im Deutschen fliegende Mücken. Man kann nicht wirklich etwas dagegen tun (das heißt, eigentlich schon, aber die Operation ist nicht ungefährlich). Ich ertappe mich dabei, wie ich immer schneller lese, um diesen
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