Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
älteren schwarzen Mann, der die Auseinandersetzung ebenfalls beobachtet hatte. Der Mann bewegte seine Hand mit nach unten zeigender Innenfläche auf und ab, als ob er dem jungen Fahrer sagen wollte: »Nun mal langsam … denk doch mal darüber nach, was du hier tust.« Der Mann bemerkte die Geste des Älteren, bemühte sich sichtlich um Selbstbeherrschung, kehrte dann plötzlich zu seinem Auto zurück, stieg ein und fuhr ohne ein weiteres Wort davon.
In unserer heutigen, schnelllebigen Welt ist die Aufforderung zur Langsamkeit eine Nein-Variante, die ich persönlich sehr nützlich finde. Sobald ich merke, dass ich mir zu viel zumute oder mich überfordere, rufe ich sie mir ins Gedächtnis.
»Das ist nicht okay.«/»Das ist nicht angemessen.«/ »Das ist nicht erlaubt.«
Manchmal müssen wir auch einfach nur in neutralem Ton darauf hinweisen, dass das Verhalten des anderen nicht angemessen ist. »Das ist nicht okay« ist eine sachliche Aussage, die gleichzeitig eine klare Grenze zieht zwischen dem, was okay ist, und dem, was nicht okay ist, und trotzdem den Menschen von seinem Verhalten unterscheidet. Die Person ist okay, ihr Verhalten nicht. Sich auf einen bestimmten Verhaltenskodex zu beziehen entpersonalisiert das Nein. Eine Formulierung wie: »Ich bedaure, aber Handys sind in diesem Teil des Krankenhauses nicht gestattet« nimmt dem Tadel den Stachel.
Celia Cerrillo, die Lehrerin, deren Schule in einem sozialen Brennpunkt liegt, und die jene bereits zitierte Regel aufstellt, dass niemand in ihrem Klassenzimmer den anderen beschimpfen darf, beschreibt, was etwa einen Monat, nachdem sie diese Regel verkündet hat, unter den Kindern passiert: »Eh man es sich versieht, sagen die Kinder zueinander: ›Dieses Verhalten ist nicht richtig. Das ist hier nicht erlaubt.‹ Es ist ein schöner Erfolg, wenn man solche Äußerungen hört.« Und es funktioniert, wie Ms. Cerrillo hinzufügt: »In meinem Klassenzimmer habe ich kaum Disziplinprobleme.«
»Ich finde das nicht in Ordnung.«/»Das kann ich nicht akzeptieren.«
Wenn Sie befürchten, dass Ihr Gegenüber sich gemaßregelt fühlen könnte, wenn Sie ihn über richtige Verhaltensweisen aufklären, können Sie die Nicht-okay-Formulierung in eine Ich-Botschaft verwandeln, wie zum Beispiel »Ich finde das nicht in Ordnung«. Wenn Ihr Kollege Ihnen Beleidigungen an den Kopf wirft, schauen Sie ihm in die Augen, senken Sie die Stimme, sprechen Sie langsam und deutlich und sagen Sie: »Bitte hören Sie auf damit! Ich kann gut mit Kritik umgehen, aber diese Art der Rede kann ich nicht akzeptieren. Wenn Sie ein Problem mit meiner Arbeitsweise haben, dann lassen Sie uns professionell und sachlich darüber reden.« Durch die Verwandlung der Nicht-okay-Botschaft in eine Ich-Botschaft können Sie dem anderen Ihr Nein übermitteln, ohne der Beziehung zu schaden.
»Das ist genug.«
»Genug« ist ebenfalls ein interessantes Wort. Sie verurteilen den anderen nicht wegen seines Verhaltens, sondern erwähnen einfach nur, dass es jetzt reicht. Es ist Zeit aufzuhören. »Das war genug Gepolter für heute«, verkündet die Mutter den Kindern. Die Grenze ist erreicht und wird als solche deutlich gemacht. Inmitten eines Bürgerkriegs in Asien, bei dem ich als Vermittler fungierte, hatte die demokratische Bewegung die Notstandsregelungen des autoritären Regimes satt und machte sich das Motto »Genug ist genug« zu eigen . » Genug« signalisiert Ihr Engagement, ohne anzugreifen.
Nein sagen, ohne »Nein« zu sagen
Ein unverblümtes Nein kann bei Ihrem Gegenüber Gefühle der Scham und Zurückweisung auslösen. Es ist ein kämpferisches Wort, das oft Widerstand und Gegenreaktionen provoziert. Wer das Nein missbraucht – insbesondere bei Kindern – riskiert, dass es Macht und Glaubwürdigkeit einbüßt. Irgendwann fangen Ihre Kinder an, es einfach zu ignorieren oder es mit »vielleicht« gleichzusetzen.
Gerade weil Nein ein solch mächtiges Wort ist, sollte man es sorgfältig, absichtsvoll und sparsam einsetzen. Oft kann man die gleiche Botschaft auch durch andere Formulierungen vermitteln, ohne das Wort tatsächlich auszusprechen. Zum Beispiel in den folgenden Fällen:
Mitten in der ärztlichen Untersuchung besteht eine Fünfjährige darauf, die Praxis zu verlassen. »Liebling, wir bleiben«, antwortet der Vater ruhig.
Um den Preis zu drücken verlangt der Kunde, das Produkt, das die Reinigungsfirma anbietet, zu entbündeln: Die Reinigungsprodukte sollen von der Schulung und dem
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