Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
natürlichen Zyklus der Akzeptanz durchlaufen hat. Greifen Sie nur ein, wenn es notwendig ist und um die neue Realität wieder ins Zentrum des Erkenntnisinteresses zu rücken.
Wenn Ihr Gegenüber Ihr Nein dann einmal akzeptiert hat, ist die Zeit gekommen, eine Vereinbarung auszuhandeln und eine gesunde Beziehung zu ihm aufzubauen. Wie Sie das bewerkstelligen können, schildere ich im nächsten und letzten Schritt der Methode des positiven Neins.
9 Handeln Sie ein Ja aus
Einen Baum erkennt man an seinen Früchten.
Altes Sprichwort
Nun kommen wir zum letzten Schritt des positiven Neins. Es wird Zeit, die Früchte unserer Arbeit zu ernten. Denn das Ziel besteht nicht einfach nur darin, Nein zu sagen, sondern vielmehr auch darin, trotzdem zu einem Ja zu gelangen. Ein Ja auszuhandeln ist die letzte Herausforderung, mit der Sie bei Ihrem Nein konfrontiert werden.
Eine der ältesten Schilderungen von wirklich kühnen Verhandlungen findet man im Buch Genesis. Als Gott dem Propheten Abraham seinen Plan anvertraut, die Städte Sodom und Gomorrha zu zerstören, um die Einwohner für ihre Sünden zu bestrafen, wagt Abraham es, Nein zu Gottes Plan zu sagen – und zwar auf positive Weise. »Willst du wirklich den Gerechten mit dem Frevler verderben?« (Gen, 18, 23), fragt er. Hinter seinem Nein sagt Abraham in Wirklichkeit Ja! zum Wert des menschlichen Lebens. Abraham lässt seinem Nein einen Vorschlag folgen – ein Ja?. »Vielleicht gibt es 50 Gerechte in der Stadt. Willst du sie wirklich verderben und nicht lieber dem Ort um der 50 Gerechten willen, die dort wohnen, vergeben?«, fragt er. Gott geht auf Abrahams Vorschlag ein. Und Abraham bleibt beharrlich: »Vielleicht fehlen an den 50 Gerechten noch fünf. Wirst du wegen der fünf die ganze Stadt verderben?« Gott lässt sich erneut darauf ein. Abraham kann die Zahl zunächst auf 40, dann auf 30, 20 und schließlich auf zehn reduzieren. Bedauerlicherweise ist er zwar trotzdem nicht in der Lage, die Städte zu retten, aber die Lektion bleibt die gleiche. Mit einem positiven Nein ist es möglich, für das einzutreten, was man für richtig hält, ohne eine überaus wichtige Beziehung zu gefährden. Es ist möglich, selbst zu dem mächtigsten Wesen überhaupt Nein zu sagen und trotzdem zu einem Ja zu gelangen.
Das Ziel: Ein positives Ergebnis
Das Ziel ist ein positives Ergebnis, das unsere Hauptinteressen schützt. Dieses positive Ergebnis kann in verschiedenen Varianten daherkommen. Zum einen kann es sich um eine Vereinbarung handeln, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt. Dabei ist es unwichtig, ob Sie diese Vereinbarung explizit getroffen haben oder nicht. Letztlich zählt nur, dass der andere Ihr Nein aufrichtig akzeptiert. Das Ergebnis kann auch eine positive Beziehung sein – eine gesunde, authentische Beziehung, in der beide Beteiligten sich selbst treu bleiben können. Und manchmal kann eine Einigung auch die Form einer freundschaftlichen Trennung haben.
Diese wichtige Lektion lernte ich, als meine Frau und ich beschlossen, uns zu trennen. Wir hatten zwar noch keine Kinder, aber trotzdem war das Nein zu unserer Ehe ein sehr schmerzhafter Prozess. Im Lauf der Zeit wurde uns beiden jedoch klar, dass unsere Trennung ein positives Ergebnis war. Heute, viele Jahre später, sind wir beide glücklich mit anderen Partnern verheiratet und haben beide Kinder. Die Grundlage unserer ursprünglichen Verbindung – eine tiefe Freundschaft – haben wir uns erhalten, und mittlerweile sind auch unsere Sprösslinge gute Freunde geworden. Dank einer generellen großzügigen Gesinnung aller Beteiligten und sorgfältiger Beziehungsarbeit mit allen vier Partnern, den alten und den neuen, stehen sich unsere Familien sehr nah, und wir fahren sogar manchmal zusammen in den Urlaub, was für uns alle ein Quell der Freude ist. Keine der heiklen Verhandlungen, in die ich im Lauf der Jahre verstrickt war, war befriedigender für mich als diese. Sie illustriert, wie man Nein sagen und dennoch beim Ja ankommen kann. Ein Nein vermag Sie dem anderen sogar noch näher zu bringen und führt ganz bestimmt zu einer authentischeren Beziehung.
Ähnliche Prozesse habe ich auch schon bei geschäftlichen Verhandlungen erlebt. Ich erinnere mich an eine Teilnehmerin meiner Verhandlungsseminare in Harvard. Nennen wir sie Katherine Taylor. Sie arbeitete als Chefsyndikus für ein großes Technologie-Unternehmen, das einen großen Kunden und namhaften Computerhersteller wegen des Verstoßes gegen
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