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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mit einem halb verzweifelten, halb vorwurfsvollen Blick. Zu seiner großen Überraschung nickte sie dann aber ergeben. Vielleicht hatte sie eingesehen, wie aussichtslos ihre Situation war und dass sein Schwert an einem anderen Platz dringender gebraucht wurde, um sie zu beschützen.
    »Geh zu deinem Vater, Kind«, sagte Ali. »Es wird alles gut, das verspreche ich dir.« Er signalisierte einem der Assassinen, das Mädchen zu übernehmen, und sie ließ sich auch gehorsam am Arm ergreifen und in die schreckliche Dunkelheit führen, wenn auch jetzt wieder erst, nachdem sie Andrej ein unmerkliches Nicken geschenkt und sein Versprechen damit erneuert hatte. Ali schürzte verächtlich die Lippen, enthielt sich aber jeden Kommentares.
    Schon die wenigen Augenblicke der Ablenkung hatten gereicht, ihre Verfolger herankommen zu lassen. Es waren fast ein Dutzend, ausnahmslos große, gut trainierte Männer, deren bloße Art sich zu bewegen Andrej bewies, dass Ali mit dem, was er über die Soldaten des Vatikans erzählt hatte, die Wahrheit gesagt hatte. Sie trugen dieselben gelb-blau gestreiften Uniformen, die Andrej schon kannte. Unter normalen Umständen hätten sie keine Gefahr für Abu Dun, ihn selbst und die Assassinen dargestellt, aber so, wie die Dinge lagen, waren es wohl genau ein Dutzend zu viel. Ein einziger Blick in ihre Gesichter machte Andrej klar, dass die Gardisten grimmig entschlossen waren, die frechen Eindringlinge für den Frevel zu bestrafen, den sie begangen hatten.
    »Beherrscht euch«, sagte Ali. »Ganz egal was geschieht, überlasst mir das Reden.«
    »Kein Problem«, knurrte Abu Dun, während er mit der linken Hand sein Schwert zog und seine rechte linke Hand erwartungsvoll klappern ließ. »Ans Reden hatte ich sowieso nicht gedacht.«
    Ali verzichtete sogar auf den obligaten ärgerlichen Blick und legte zwar ebenfalls die Hand auf die Waffe, zog sie aber nicht und trat ganz an das Gittertor heran. Seine Männer hatten es wieder geschlossen und den Riegel mit einer Eisenstange blockiert, was aber nur ein symbolisches Hindernis darstellte. Die Gardisten waren ausnahmslos schwer bewaffnet. Einer trug sogar noch einen großen Schmiedehammer über der Schulter, mit dem er vermutlich mitgeholfen hatte, die Tür aufzubrechen.
    Ali sagte halblaut – und auf Aramäisch: »Wenn alles andere versagt, dann ist das vielleicht unser letzter Ausweg. Aber lasst mich erst mit ihnen reden. Ich kann uns die Zeit verschaffen, die wir brauchen.«
    Das klang nicht sehr überzeugend, fand Andrej. Da hörte er Aylas lautlosen Entsetzensschrei in den Tiefen seiner Seele. Sie war in Gefahr.
Er musste …
    Als er einen Schritt nach vorn machen wollte, deutete Abu Dun nur ein Kopfschütteln an, als hätte er seine Gedanken gelesen, und Andrej führte die Bewegung nicht zu Ende. Er war zutiefst verwirrt und so zwischen seinen widerstrebenden Empfindungen hin- und hergerissen, dass es fast körperlich wehtat. Was geschah hier? Was geschah
mit ihm?
    Vielleicht nur, um das schreckliche Flehen in seinem Inneren nicht mehr hören zu müssen, wandte er sich wieder den Männern auf der anderen Seite des Gitters zu. Ihre Zahl war noch einmal angestiegen, und alle hatten ihre Waffen gehoben und wirkten entschlossener denn je. Aber noch hatte keiner versucht, das Tor zu öffnen. Vielleicht lag das ja an den grimmig dreinblickenden Assassinen auf der anderen Seite des Gitters.
    Und für einen kurzen, aber erschreckenden Moment ertappte sich Andrej bei dem bizarren Wunsch, dass sie sie angreifen und Abu Dun und ihm einen Vorwand liefern würden, sie zu töten und Blut fließen zu lassen. Wenn er dabei selbst zu Schaden kam, spielte das auch keine Rolle. Alles war besser, als weiter Aylas verzweifeltes Flehen in seinen Gedanken hören zu müssen. Vielleicht starb er, aber wenn, dann in Erfüllung seiner Pflicht. Er hatte geschworen, sie zu beschützen, und er würde diesen Schwur halten, und wenn es sein Leben kostete.
    Ein scharfer Ruf erklang, und er spürte Aufregung irgendwo hinter den Soldaten. Andrej sah hin, und sein Herz machte einen erschrockenen Satz in seiner Brust.
    Hinter den Männern, die sich vor dem rostigen Gitter drängten, tauchte eine weitere Gestalt auf, die sich irgendwie …
falsch
bewegte
,
und sie sah auf schwer zu beschreibende Art missgestaltet aus.
    Was sie auch war, wie er unzweifelhaft erkannte, als sie näher kam. Nur, dass diese Missgestalt keine grausame Laune der Natur war.
    Andrej kannte den Mann. Vor weniger

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