Nekropole (German Edition)
durchbohrte ihn so mühelos, dass ihr Besitzer überrascht einen weiteren Schritt nach vorne stolperte und beinahe gestürzt wäre. Im letzten Moment fand er sein Gleichgewicht wieder, aber das rettete ihn nicht. Der tote Soldat schob sich einfach weiter, hielt sich mit der verbliebenen Hand am Stiel einer der Hellebarden fest und zog sich daran weiter nach vorne und auf den vollkommen fassungslosen Gardisten zu, während sein verrottendes Fleisch in großen Stücken von ihm abfiel und mit einem Geräusch wie nasser Stoff auf den Boden klatschte. Dann griff er blitzschnell nach seinem Gesicht und versuchte es dem Gardisten mit den Fingernägeln herunterzureißen.
Seine Kraft reichte dafür nicht mehr aus, zumal der Mann nun endlich aus seiner Erstarrung erwachte und seinen Arm so wuchtig zur Seite schlug, dass der Knochen mit einem knackenden Laut brach. In der nächsten Sekunde schwang sein Kamerad die Hellebarde erneut, und was noch vom Schädel der entsetzlichen Kreatur übrig war, flog im hohen Bogen davon. Der nun endgültig leblose Körper des Soldaten rutschte rückwärts wieder von der Hellebarde herunter und fiel auseinander. Der Gardist ließ seine Hellebarde los und schlug die Hände vor das Gesicht. Die Männer, die sich endlich von ihrem Schreck erholt hatten, strebten zu ihm.
»Bei Allah. Nein!« Mit einer einzigen kraftvollen Bewegung riss Abu Dun die Eisenstange aus dem Gittertor und stürmte los.
Wenn überhaupt jemand seine Warnung hörte, dann ging es in dem allgemeinen Tumult unter, der in diesem Moment losbrach. Alle schrien und brüllten und rannten in wilder Panik durcheinander, und die meisten der Schwerter und Spieße deuteten nun nicht mehr auf sie, sondern überallhin, sodass Andrej fast damit rechnete, die Männer sich gegenseitig aufspießen zu sehen.
»Geht weg von ihm!«,
schrie Abu Dun noch einmal.
»Fasst ihn nicht an!«
Niemand hörte seine Worte. Als einer der Gardisten sich wieder an seine Pflicht erinnerte und versuchte ihn aufzuhalten, rannte Abu Dun ihn einfach nieder, wahrscheinlich ohne es zu merken. Seine Hand zuckte zum Gürtel und zog den Dolch.
Der Gardist nahm die Hände herunter und gewährte ihnen damit einen Blick auf sein blutüberströmtes Gesicht, in dem die Fingernägel des höllischen Angreifers tiefe Spuren hinterlassen hatten. Abu Dun schleuderte den Dolch mit solcher Kraft, dass die Klinge nicht nur bis zum Heft in seine Stirn eindrang, sondern ihn von den Füßen riss und ihn meterweit entfernt auf den Rücken schmetterte, so hart, dass er sich noch zusätzlich das Genick brach, nur einen Atemzug, bevor seine Kameraden ihn erreichen und womöglich berühren konnten.
Ali hatte nicht übertrieben, als er die Männer der Schweizergarde so gelobt hatte, das musste Andrej zugeben. Ein Gutteil von ihnen war noch immer fassungslos oder viel zu entsetzt von dem Gesehenen, um etwas zu tun, aber viel zu viele – zumindest für Andrejs Geschmack – reagierten genauso präzise und schnell, wie er es von Männern ihres Rufes erwartete. Spieße und Schwerter wurden erneut in ihre Richtung geschwenkt, und Andrej konnte Abu Dun gerade noch zurückreißen, bevor ihm die rasiermesserscharfe Klinge einer Hellebarde den Kopf von den Schultern trennte. Der Stahl fuhr mit einem hässlichen Laut durch den schwarzen Stoff seines Mantels und prallte Funken sprühend von irgendetwas aus Metall ab, das er darunter trug. Abu Duns eiserne Hand schnappte mit einem rostigen Scharren zweimal hintereinander zu und wieder auf, und als sie das dritte Mal zuschnappte, schloss sie sich um die Klinge eines Schwertes, das nach seiner Kehle züngelte, und brach es dicht über dem Heft und mit solcher Kraft ab, dass sein Besitzer auf die Knie fiel und die Hand an den Leib presste. Andrejs Handkante zertrümmerte eine weitere Hellebarde, die sich in Abu Duns Rücken bohren wollte.
Dann musste er es aufgeben, seinen Freund verteidigen zu wollen, denn plötzlich wurde auch auf ihn aus allen Richtungen eingeschlagen und -gestochen, und er hatte alle Hände voll damit zu tun, sein eigenes Leben zu retten. Etwas knallte, und die Musketenkugel flog so dicht an ihm vorbei, dass er ihr zorniges Summen hören konnte, und prallte Funken schlagend von einem Gitterstab ab. Das Geräusch, mit dem der Querschläger durch die unterirdische Kathedrale heulte, klang in seinen Ohren wie das Kreischen eines zornigen Dämons, der sich im letzten Moment um seine schon sicher geglaubte Beute betrogen sah.
Nun
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