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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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Alten, ich liebe dich.
    Ich holte gerade Luft, als November laut und vernehmlich auf meine Füße furzte. Nele lachte. Dann kam der Geruch. »O Gott!«, stöhnte sie.
    November gab ein merkwürdiges Geräusch von sich und flüchtete in den Garten. Wir lachten. Wir stellten uns ans Fenster und hielten die Nasen ans Fliegengitter. Nele schwor, dass sie nur vor einer Sache Angst hat, nämlich der, dass November so was noch mal macht. Wir alberten herum, der Augenblick wurde hell und leicht. Als ich ihrversprochen hatte, mir einen schönen Abend mit Mor zu machen, verschwand sie die Treppe hoch.
    Ich räumte die Küche auf, schnappte mir das nächste Bier und fütterte November, als der wieder reinkam, um zu sehen, ob die Luft rein war. Er warf sich wie ein Verhungerter auf das Essen, da er heute am Tisch leer ausgegangen war. Nachdem er Mor bei der Zubereitung etwas vom Tisch geschnappt hatte, versuchte sie nun wieder, ein bisschen Disziplin einzuführen.
    »Das Leben ist kein Ponyhof«, erklärte ich ihm und leerte die Bierflasche. Als ich eine neue aus dem Kühlschrank holen wollte, stellte ich fest, dass kein Bier mehr da war. Ich schnappte mir einen Bitterino und ging ins Wohnzimmer, wo der Fernseher flackerte. Mors TV-Pause hatte nicht lange gehalten.
    Auf dem Bildschirm trat ein halb nackter Mann einen anderen und brach ihm das Schienbein. Mor saß in ihrem Sessel und strickte. Die Nadeln klackerten beruhigend aneinander. Neben ihr lehnten die Krücken an der Wand. Vor ihr stand ein halb volles Glas. Sah aus wie Wein. Auch die Pause war vorbei.
    »Wow, du kannst ja gleichzeitig stricken und fernsehen.«
    »Die Handlung ist halt spannend. Nimmt einen richtig mit.«
    Ich ließ mich in den freien Sessel fallen, legte das Handy in Sichtweite ab und warf einen Blick zum Bildschirm, wo eine Gruppe Asiaten in Lichtgeschwindigkeit aufeinander einschlug. Im Hintergrund lag ein toter Elefant.
    »Was zum Teufel guckst du denn da? Und ohne Ton.«
    Sie warf einen Blick zum Bildschirm, ohne dass die Stricknadeln den Rhythmus verloren.
    »Ich brauche keinen Ton, um zu wissen, was die sagen.«
    »Ich könnte dich bei Wetten, dass …? anmelden. Wetten, dass meine Mutter alle Dialoge dieses Filmes ohne Drehbuch mitsprechen kann?«
    Sie ließ die eine Nadel los und kratzte sich den Stumpf.
    »Was wohl andere Sechzigjährige abends machen?«
    »Dasselbe. Fernsehen und saufen. Schau dir die Einschaltquoten an. Irgendjemand muss das alles ja gucken, und nüchtern geht’s nicht.«
    »Du meinst, ich trinke wegen des Fernsehprogramms?«
    »Wäre ’ne Erklärung.«
    Sie schnappte sich die Nadel und strickte weiter.
    »Man könnte eine Sammelklage gegen die Sender einreichen.«
    »Zusammen mit wem? Du kennst hier doch niemanden. Wenn wir in einer Stadt wohnen würden, hättest du viel mehr Kontakt zu anderen Menschen.«
    Sie lächelte.
    »Netter Versuch, aber du liegst falsch. Gesunde Menschen wollen mit Krüppeln nichts zu tun haben, egal wo. Die denken, ich wär behindert.«
    »Ach so«, sagte ich und sah auf den Stumpf.
    Mor warf mir einen tadelnden Blick zu.
    »Mir fehlt bloß ein Bein. Es hat Jahre gedauert, bis die Leute hier anfingen, mit mir wie mit einem normalen Menschen zu reden. Glaubst du, ich habe Lust, diese Jahre noch mal durchzumachen?«
    »Keine Sorge, in der Stadt reden die Leute auch nach Jahren nicht miteinander. Da wirst du nicht diskriminiert.«
    Sie zog eine Grimasse und warf einen Blick zur Tür, aber es war nur November, der hereingetrottet kam.
    »Wo ist Nele?«
    »Mit einem Buch im Bett. Wir dachten, dass ich mich mal wieder in deinem Leben blicken lassen sollte. Verrückt, oder? Wir wohnen im selben Haus, aber seitdem sie wieder da ist, haben wir uns kaum noch zu zweit gesehen. Meinst du, das ist in normalen Familien auch so?«
    Sie runzelte die Stirn.
    »Was meinst du denn mit normal?«
    »Stimmt auch wieder«, sagte ich. Mir war danach, mich zu besaufen. Ich schnappte mir ihr Glas und probierte nach Jahren mal wieder Weißwein. Es hatte sich nichts geändert. Angewidert stellte ich das Glas wieder ab. »Haben wir echt kein Bier mehr da?«
    »Rokko hat alles weggetrunken.«
    »Ich knall ihn morgen ab. Was haben wir sonst da?«
    »Aquavit, Rotwein, Weißwein.«
    Ich ging in die Küche und holte den Schnaps und zwei Gläser, aber als ich zurückkam und Mors Glas füllen wollte, schüttelte sie den Kopf.
    »Für mich nicht, danke.«
    Ich füllte mein Glas.
    »Was ist los?«
    »Nichts. Ich will nur keinen

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