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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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Woche«, sagte sie und starrte ins Feuer.
    Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
    »Tut mir leid. Ich wusste das nicht. Ich glaube, keiner hier weiß es, sonst wären bestimmt viele zur Beerdigung gekommen.«
    »Er hat verfügt, dass nur ich dabei sein sollte. Ein letztes Mal nur wir beide. Er …« Sie zog die Schultern hoch. »Er wusste, dass er sterben wird. Nach dem zweiten Schlaganfall war ihm klar, dass er keinen weiteren übersteht.«
    »Und, kommst du klar?«
    »Geht so. Ich wusste, dass es jederzeit passieren konnte,aber dennoch …« Wieder zog sie die Schultern hoch, als sei ihr kalt. »Papa ist nicht mehr da. Er war immer da.« Sie klemmte ihre Hände zwischen die Knie und atmete wieder durch. »Ich muss die Villa verkaufen.« Sie starrte ins Feuer. In der beginnenden Dunkelheit warfen die Flammen Schatten auf ihr Gesicht. »Ich verkaufe mein Elternhaus. Alle Spuren meiner Kindheit verschwinden.«
    »Warum behältst du es nicht?«
    »Kann ich mir nicht leisten.«
    Ich hob meine Augenbrauen.
    »Verdienen Models kein Geld mehr?«
    Sie seufzte, und als sie mich ansah, wirkte ihr Blick resigniert. »Was weißt du eigentlich von meiner großen Karriere?«
    Ich zog die Schultern hoch.
    »Nur das aus den Zeitungen und was uns Hans erzählt hat.«
    »Und das wäre?«
    Ich überlegte. Hm. Je mehr ich drüber nachdachte – ich hatte sie nur in zwei Kampagnen gesehen, der Rest waren Party-, Premieren- und Paparazzifotos gewesen.
    Die Pause ließ sie nicken.
    »Siehste«, sagte sie. »Und das war meine Karriere. Himmel, ich war ja schon zu alt, als ich rüberging.«
    »Mit achtzehn??«
    »Und zu dick, sagten sie.« Etwas Zynisches schlich sich in ihr Gesicht. »Aber ich hatte ja noch mein tolles Gesicht. Ich fand eine mittelprächtige Agentur und bekam mittelprächtige Aufträge. Von dem Geld, was die einbrachten, sah ich so gut wie nichts. Weißt du, was das Leben in New York kostet? Die Agentur, die Miete, die Kleidung, der Style?« »Ich dachte, die Sachen kriegt man gestellt.«
    Sie zog eine Grimasse.
    »Bei den Shootings wirst du angezogen, klar, aber wenn du abends in deinen alten Klamotten ausgehst, kommst dunicht in die richtigen Clubs, in die all die wichtigen Leute gehen. Also gibst du einen Haufen Geld für Kleidung aus, gehst tanzen, trinkst was und fährst mit auf eine Party von irgendwem, weil dort später ein paar ganz heiße Scouts und Agenturchefs auftauchen sollen. Du tanzt in Millionenvillen mit Leuten, die du aus dem Kino kennst. Du kriegst alles für lau, die angesagtesten Clubs, die heißesten Partys, die größten Premieren, und alles nur, weil du ein hübsches junges Ding bist.«
    »Klingt nach Spaß.«
    Sie holte tief Luft und sah wieder ins Feuer.
    »Ja, eine Zeit lang macht das Spaß. Eine Zeit lang ignorierst du deine Füße, die von den fünfzehn Zentimeter hohen Absätzen schmerzen, die überhitzten Warteräume, in denen es nichts zu trinken gibt, die sexuellen Belästigungen, die Aufputschmittel und die Achtzehn-Stunden-Arbeitstage ohne Essen. Eine Zeit lang ist das alles ein großes Abenteuer, aber der Punkt ist der, dass man dabei zu wenig Geld verdient. Die Anfängerverträge sind, gelinde gesagt, undurchsichtig. Es gab Jobs, da verdienten alle an dem Tag Geld, nur ich nicht. Tja, und irgendwann fressen dich die laufenden Kosten auf, und du merkst, dass du eigentlich kein Model bist, sondern ein Partyhäschen, und auf einmal bist du auch nicht mehr hot , sondern dead . Du hattest deine Chance, und hinter dir stehen tausend hübschere Mädchen, die deinen Platz einnehmen wollen. Die Agentur lässt dich fallen, und um über die Runden zu kommen, nimmst du Jobs an, die dir den Ruf endgültig versauen. Und bevor du Oklahoma sagen kannst, kellnerst du und wohnst in einer Zehn-Mann-WG, wo siebenmal die Woche eingebrochen wird.« Sie sah mich an. »Klinge ich verbittert?«
    »Nur ein bisschen. Wird man so, wenn man sich hochgeschlafen hat, ohne oben anzukommen?«
    »O Mann.« Sie musterte mich kopfschüttelnd. »Das hatte ich vergessen.«
    »Meine schlauen Fragen?«
    »Deine blöden Sprüche«, sagte sie, kratzte sich am Bein und starrte wieder in die Flammen.
    Schon früher hatte Feuer sie fasziniert. Sie konnte vor einem Lagerfeuer sitzen wie andere Leute vor dem Fernseher. Ich nutzte die Gunst der Stunde und ließ meinen Blick in Ruhe über ihren Körper wandern. Man musste aufpassen. Sie hatte überall Stellen, vor denen man versacken konnte wie ein Kunstkenner vor einem

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