Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
Vom Netzwerk:
der nicht böse abgestürzt?«
    »Kann ja mal passieren, wenn man was riskiert.«
    Ich verzog mein Gesicht.
    »Was denn – Querschnittslähmung?«
    »Manchmal muss man was riskieren«, beharrte sie und wandte mir ihr erhitztes Gesicht zu, über das Lichtreflexe tanzten. »Sonst erfährst du nie, ob die Götter dich lieben.« Ich schirmte meine Augen vor der Sonne ab und versuchte, ihre Mimik in dem gleißenden Gegenlicht zu erkennen. Sie trat einen kleinen Schritt nach vorn und sah in die Tiefe.
    »Was glaubst du?«
    »Dass du zu nah an der Klippenkante stehst.«
    »Ich meine, lieben mich die Götter?«
    »Nicht, wenn du doof genug bist, da runterzuspringen.«
    Sie nickte. Dann trat sie sich die Laufschuhe ab und bückte sich, um sich die Strümpfe auszuziehen. Ich ging einen Schritt auf sie zu.
    »Nele.«
    Sie warf ihre Strümpfe auf die Schuhe und richtete sich auf.
    »Wer als Letztes im Wasser ist, ist ’ne Lusche.« In dem gleißenden Licht konnte ich ihre Augen nicht sehen, aber ich hörte die Herausforderung in ihrer Stimme. Bevor ich etwas sagen, geschweige denn tun konnte, breitete sie die Arme aus und lief los. In einem Moment stand sie vor mir,im nächsten war sie bereits in der Luft und strampelte mit den Beinen, den Oberkörper vorgelehnt. Dann war sie weg. Ich schaute auf den leeren Fleck. Weg. Der Schock nahm mir den Atem. Ich hörte einen Aufschrei, der abrupt abbrach, als etwas unten aufklatschte. Mein Blut sank in die Füße. Mein Gesicht wurde eiskalt. Ich taumelte, ohne nachzudenken, nach vorne.
    Die Klippen unter der Wasseroberfläche etwas rechts. Das Wasser links. Anlauf, Sprung nach links. Ich schloss die Augen gegen das grelle Licht und sprang. Links! Die Sonne blitzte durch die Lider in mein Gehirn. Sekunden Fall, dann schlug ich hart auf. Wasser! Ich tauchte metertief unter. Mit jeder Sekunde wurde das Wasser kälter und dunkler. Ich drehte mich, paddelte hektisch hoch ans Licht und durchdrang die Wasseroberfläche. Ich schaute mich um und sah zwei Meter neben mir einen Kopf aus dem Wasser ragen.
    »O Mann …!«, prustete sie. »Dein Gesicht!«
    Sie schwamm lachend näher und spuckte Wasser in meine Richtung. Ich trat auf der Stelle und starrte sie stumm an, während meine Kleidung sich mit Wasser vollsog. Um uns herum glitzerte und funkelte es. Ein Grab aus Diamanten. Sie blieb vor mir im Wasser stehen und lachte mich an.
    »Geht doch nichts über ein kleines Abenteuer, um den Puls in Schwung zu bringen …«
    Ich kämpfte mit meinem Puls.
    »Hey, schmollst du jetzt? Die Götter lieben uns, ist das nichts?«
    Endlich bekam ich Luft.
    »HAST DU DEN VERSTAND VERLOREN?!!«
    »Ach, komm schon …« Sie hängte sich an mich, was uns fast untergehen ließ. »Ich bin hier aufgewachsen, schon vergessen? Niemand kennt diesen Tümpel besser als ich.«
    Ich rang nach Luft.
    »Was meinst du, wie viele Kids wir hier schon rausgefischt haben, die dasselbe gesagt haben, bevor sie starben?«
    Ihre Freude nahm sichtlich ab.
    »Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.«
    »Super. Zum ersten Mal gehe ich mit einem Model aus, und schon versucht es, uns verdammt noch mal beide umzubringen.«
    »Exmodel.«
    »Wird ja immer besser.«
    Sie lächelte.
    »Aber du lässt dich trotzdem abschleppen, oder?«
    Nele schwamm um mich herum und legte mir ihre Hand auf die Brust. Sie wählte den Fesselschleppgriff, den wir zusammen beim DLRG gelernt hatten. Sie hielt mich unter dem Kinn und begann, in ruhigen Zügen an Land zu schwimmen. Ich glitt schwerelos in Rückenlage durchs Wasser und dachte an die tausend Male, da wir uns auf diese Art gegenseitig durchs Wasser gezogen hatten. Ich spürte, wie meine Wut verflog, schloss die Augen und entspannte mich. Sich zu entspannen und trotzdem nicht unterzugehen war ein großartiges Gefühl. Treiben lassen. Ein altes Gefühl. Vertrauen. Über mir hörte ich November bellen und spürte, wie meine Schuhe sich endgültig mit Wasser vollsogen. Die Restsonne wärmte mein Gesicht, und der Geruch des Wassers war so intensiv frisch, dass ich fröstelte. Treibgut.
    Als sie Boden unter den Füßen hatte, fuhr ich meine Beine aus, kam ebenfalls auf Grund und folgte Nele an Land zu der alten Grillstelle. Die Feuerstelle lag an einer kleinen geschützten Lichtung und war nur vom Wasser einsehbar. Damals hatten wir hier oft gefeiert, doch seitdem es den künstlichen Strand gab, kam keiner mehr her. Nele lächelte.
    »Abgeschleppt.«
    Sie begann, an ihrem nassen T-Shirt zu zerren, und

Weitere Kostenlose Bücher