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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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hinbekommen.«
    Langsam verlor ich den Faden. Vorausgesetzt, wir hatten vorher einen gehabt.
    »Worüber reden wir hier eigentlich?«
    Sie blickte über die Felder.
    »Wir plaudern einfach so.«
    »Super.«
    Ich stand auf, ging ums Haus herum und blickte den Hügel hinauf. Just in dem Moment drehte Nele sich um und machte sich auf den Rückweg. Ich trat schnell hinter die Hausecke. Sie sollte nicht denken, dass ich ihr nachspionierte.
    Ich hockte mich hin und lugte mit einem Auge um die Ecke. Auf die Entfernung konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber sie schien okay zu sein. Es warbestimmt keine Kleinigkeit, sein Elternhaus nach so vielen Jahren wiederzusehen. Beim nächsten Mal würde ich mitgehen.
    Als ich mich wieder an den Tisch setzte, lächelte Mor.
    »Es ist schön, dich so zu sehen.«
    »Wie? Unwissend? Ausgegrenzt? Veräppelt?«
    Sie nippte an ihrem Kaffee und sah mich über die Tasse hinweg an.
    »Pass auf dich auf, Schatz. Sie mag müde sein, aber wenn sie ausgeruht ist, wird sie wieder gehen.«
    »Darüber habt ihr gesprochen?«
    Sie schaute über die Felder, über die sich das Sommerlicht ergoss, und kniff die Augen gegen die Helligkeit zusammen. Das Licht war unglaublich. Ich senkte die Stimme.
    »Mutti, ich säge dir die Krücken an.«
    Sie verpasste mir ihren Blick.
    »Nenn mich nicht Mutti.«
    »Dann sag mir endlich …«
    »Sie wollte bloß wissen, was du in der Zwischenzeit so gemacht hast. Hab ihr von dem Schlamassel erzählt, wie du gejammert hast, wie du den Führerschein verloren hast, dass du nie wieder eine richtige Beziehung hattest …«
    »Hast du auch was für mich getan?«
    »Ich hab dich geboren.«
    Bevor mir dazu was einfiel, kam November durch ein Loch in der Hecke in den Garten gerannt. Er sauste zum Tisch und schaute erst Mor an, dann mich, Mor, mich, Mor, mich. Als keine Lebensmittel geflogen kamen, ließ er sich im Schatten der Hecke auf den Hintern plumpsen und streckte uns die Zunge raus. Nele betrat den Garten durch die Küche. Sie hatte eine Flasche Wasser in der Hand und setzte sich zu uns an den Tisch.
    »Puh, ist das heiß.«
    Sie wischte sich über die Stirn, setzte die Flasche an und trank einen Viertelliter. Die Sonnenbrille verhinderte, dassich ihren Blick sah, aber als ich meine Hand neben ihre legte, schob sie ihren Handrücken unter meine Handfläche. Ich schloss meine Finger. So saßen wir. Hand in Hand. Zeit verging. Nichts geschah. Ein ruhiges, gemütliches Schweigen breitete sich aus. Die Zukunft verschwamm in der Hitze zu etwas Abstraktem. Es gab nur Hier und Jetzt, und da saß ich mit zwei Menschen, die ich liebte, im Garten und trank Nachmittagskaffee. Schweigend über die Felder schauen, eine warme Hand in meiner, die Aussicht auf ein Lächeln. Mehr brauchte es manchmal nicht, um die Dinge ins rechte Licht zu rücken.
    Es war Nele, die das Schweigen brach.
    »Was meint ihr, was die Villa wert ist?«
    »Mit Grundstück?« Mor kratzte sich die Wange. »Eine Million, vielleicht ein bisschen mehr.«
    Nele sah sie überrascht an.
    »So viel?«
    Mor nickte.
    »Ich hab unseren Hof mal schätzen lassen. Allein das Grundstück da oben ist doppelt so groß, und die Lage schlägt alles. Wenn die Villa noch instand ist, wirst du ein reiches Mädchen. Hast du schon einen Immobilienmakler eingeschaltet?«
    Nele schüttelte den Kopf.
    »Ich wollte erst ein paar Sachen rausholen.« Sie sah mich an. »Kommst du mit?«
    »Ja.«
    »Jetzt?«
    »Ja.«
    »Ich meine, jetzt sofort?«
    Ich stand auf. Sie lächelte.
    »Es ist alles so unkompliziert hier.«
    »Landeier. Schlicht. Und einfach.«
    Wir sahen uns an. Bei einer Synchrongrins-WM würden wir voll abräumen.
    Wir brachten die Tassen in die Küche, und dort verpasste ich Nele einen kannibalischen Kuss. Sie ließ es höflich über sich ergehen, wartete, bis mein Angriffschwung verpuffte, befreite sich aus meiner Umarmung und zerrte ungeduldig an meiner Hand.
    »Komm schon.«
    Alles klar.
    Wir rannten fast den Hügel hoch. November strich unternehmungslustig neben uns her. Er hatte sich von der Sommerhausnacht erholt und war in Kragehop-Laune, bevorzugt direkt vor unseren Füßen. Nele schob ihn aus dem Weg und marschierte schnurgerade den Hügel hinauf. Ich war ebenfalls gespannt. Ich hoffte, der Verkauf würde sie für ein paar Wochen binden. Mehr verlangte ich nicht. Bloß ein paar Wochen, damit die kleinen Stimmen in meinem Kopf sich einigen konnten.
    Je näher wir der Villa kamen, desto weniger zerrte Nele an

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