Nelson DeMille
paar Fragen zu stellen.
Wie dem auch sei, es war ein weiterer wunderschöner, sonniger Tag, und wenn diese dunkle Wolke nicht über uns gehangen hätte, wäre unsere Zukunft genauso strahlend gewesen wie der Himmel.
Ich warf einen kurzen Blick zu Susan und sah, dass sie in sich gekehrt wirkte. Ich sagte zu ihr: »Diese Sache wird nicht angenehm werden, aber als dein Anwalt und künftiger Ehemann habe ich das Gefühl, dass diese Vorsichtsmaßnahme notwendig ist.«
Sie antwortete nicht. Vielleicht dachte sie, ich wollte ihr die Vergangenheit unter die Nase reiben, aber das war gar nicht meine Absicht. Allerdings kümmerte ich mich um die möglichen Folgen ihrer zehn Jahre zurückliegenden Tat, und das musste sie ebenfalls tun.
Ich erklärte ihr kurz, was sie zu erwarten hatte und was sie sagen sollte, aber sie schien nicht zuzuhören. Ich persönlich hatte nur wenig Erfahrungen mit einer Anzeige bei der Polizei und war mir eigentlich auch nicht sicher, was genau geschehen würde, aber als Anwalt konnte ich das herausfinden, sobald ich dort war.
Susan schob eine CD in den Player, und wir fuhren dahin und hörten Wagner, der aus einem Dutzend Lautsprecher schmetterte.
Wir näherten uns Woodbury, und ich entdeckte den Wegweiser zum Zweiten Revier. Ich bog nach rechts auf den Jericho Turnpike ab, dann nach links auf einen für Besucher ausgeschilderten Parkplatz neben dem Gebäude, warf Richard Wagner aus dem CD-Player und sagte zu Susan: »Das kann eine Stunde oder länger dauern. Dann sind wir fertig.«
»Wird die Polizei zu ihm gehen?«
»Ja, das wird sie.«
Sie wirkte ganz und gar nicht froh darüber, deshalb sagte ich: »Das ist reine Routine. Um eine Stellungnahme seinerseits einzuholen.« In Wahrheit würden die Detectives, die der Anzeige nachgingen, die Gelegenheit nutzen und Anthony Bellarosa das Leben schwermachen, ihm vor allem eine unmissverständliche Warnung zukommen lassen und ihm erklären, dass er unter Beobachtung stand. Und wenn uns das Glück wirklich hold war, würde er irgendetwas Belastendes äußern, womit sie einen Grund hatten, ihn festzunehmen. Aber selbst wenn sie ihn nicht
festnahmen, würde Anthony ein stinksaurer Paesano sein, und deswegen machte sich Susan Sorgen. Nun ja, er war bereits stinksauer, und das musste jetzt zur Anzeige gebracht werden.
Wir stiegen aus und gingen zum Eingang. Das Reviergebäude war ein eingeschossiger Ziegelbau im Kolonialstil, mit weißen Fensterrahmen und -laden, und erinnerte mich an die Friendly's Eisdiele, an der wir gerade vorbeigekommen waren. Wir gingen durch den Vordereingang in ein Foyer, das zum öffentlichen Empfangsbereich führte.
Auf der anderen Seite des Raumes war ein langer Schalter, an dem zwei Polizisten in Uniform saßen. Der jüngere der beiden Polizisten, auf dessen Namensschild Anderson stand, musterte Susan, als wir näher kamen, wandte sich aber an mich, als er fragte: »Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Wir wollen eine Anzeige erstatten«, sagte ich.
»Okay. Was für eine Anzeige?«
»Es geht um eine Drohung, die gegenüber dieser Frau ausgesprochen wurde.« Wieder schaute er Susan an und fragte sie: »Wer hat diese Drohung ausgesprochen? «
»Ein Nachbar«, erwiderte sie.
Ich führte ihre Antwort weiter aus: »Der Nachbar ist ein gewisser Anthony Bellarosa, der möglicherweise etwas mit dem organisierten Verbrechen zu tun hat.« »Aha. Woher wissen Sie das?«
Offenbar kannte Officer Anderson den Namen nicht, und da ich wusste, dass Anthony sich bedeckt hielt, sagte ich: »Er ist der Sohn von Frank Bellarosa.«
Der junge Polizist konnte mit dem Namen allem Anschein nach immer noch nichts anfangen und sagte: »Okay. Und wer sind Sie?«
»Ich bin der Anwalt dieser Dame.«
Jetzt wurde er sichtlich aufmerksamer, schätzte die Lage ein, nahm, dessen bin ich mir sicher, unsere Kleidung und den Privatschulakzent wahr und schloss daraus vermutlich, dass es sich um etwas Interessantes handeln könnte. Für etwas Interessantes war er nicht zuständig, deshalb drehte er sich um und wandte sich an den ranghöheren Polizisten, der an dem Schreibtisch hinter ihm saß. »Hey, Lieutenant - haben Sie schon mal von einem Mafioso namens Anthony Bellarosa gehört?«
Der Lieutenant blickte von seinem Computer auf, warf Susan und mir eine Blick zu und erwiderte: »Ja. Warum?«
»Diese Frau ist eine Nachbarin von ihm, und sie sagt, er hat ihr gegenüber Drohungen ausgesprochen.«
Der Lieutenant stand auf, kam an den Schalter
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