Nelson DeMille
mal die Türen abschließen und die Fenster verriegeln.«
»Ich verriegle sie abends.«
Meine verstorbene Tante Cornelia, die in einem Viktorianischen Haus in Locust Valley wohnte, schloss weder die Türen noch die Fenster ab, außer nachts, falls sie daran dachte. Es ist eine generationsbedingte Sache, verbunden mit der Aussage: »Ich habe keine Angst und werde nicht anderer Leute wegen meine gewohnte Lebensweise ändern.« Das gefiel mir, aber es läuft der Realität zuwider. Wir alle haben zum Beispiel seit dem 11. September unsere Lebensweise geändert, und das muss uns nicht unbedingt gefallen, aber es bleibt uns nichts anderes übrig.
Susan indessen war auf diesem Nostalgietrip und versuchte ihr Leben von vor zehn Jahren wiederauferstehen zu lassen. Sie hatte ihr altes Haus zurückbekommen und ihren alten Ehemann, war wieder ihren Clubs beigetreten und dachte daran, unser ehemaliges Sommerhaus in East Hampton zu kaufen. Mit Geld kann man allerhand machen, aber man kann die Uhr nicht zurückdrehen. Und wenn man es versucht, ist das Ergebnis oftmals enttäuschend oder, wie in unserem Fall, gefährlich.
In diesem Sinne fragte ich Susan: »Wo, glaubst du, ist die Schrotflinte?« »Ich glaube, sie ist im Keller, John. Ich weiß es nicht. Ich habe noch nicht alle Kisten ausgepackt.«
»Ich gucke später nach.«
»Mach die Kiste mit der Aufschrift >Freunde< nicht auf.« »Hast du deine alten Freunde in eine Kiste gesteckt?« »Nur ihre Asche. Ich sehe später nach.«
Sie setzte sich an den Schreibtisch, rief ihre E-Mails ab und sagte: »Hier sind Antworten von Edward, Carolyn und meiner Mutter.« Sie las sie und verkündete: »Sie bestätigen nur, dass sie die Nachricht bekommen haben ... und sagen, wir sollen ihnen Bescheid geben ...«
»Deine Eltern denken, sie übernachten hier«, erinnerte ich sie.
»Mal sehen, wie es läuft.«
»Susan, sie werden in einem Mietwagen vor deiner Tür aufkreuzen.«
»Vor unserer Tür, mein Schatz.«
»Und sie werden ganz und gar nicht erfreut sein.«
»Dann können sie umkehren und woandershin gehen.«
»Meiner Meinung nach solltest du ihnen einen Tipp geben ... einen Hinweis vielleicht. Wie zum Beispiel: >Ich lebe mit einem Mann zusammen, mit dem ich früher mal verheiratet war.<«
Sie hämmerte auf die Tasten ein und sagte: »Liebe Mom, lieber Dad ... ich habe einen Freund, der fast genauso aussieht wie ... nein, wie wär's damit... Aus Gründen, die ich jetzt nicht näher erklären kann, habe ich für Euch ein Zimmer reserviert... wo?«
»Motel Nummer sechs in Juneau, Alaska.«
»Hilf mir, John.«
»Sieh zu, ob im Creek ein Cottage frei ist. Als Mitglied kannst du sie dort unterbringen. In den Gästezimmern des Seawanhaka ebenfalls.«
Sie beendete die E-Mail und sagte zu mir: »Wenn ich die abschicke, werden sie anrufen und fragen, warum sie nicht hier wohnen können.«
»Sag ihnen, deine Unterhaltszahlungen decken die Ausgaben nicht, deshalb musstest du Pensionsgäste aufnehmen.«
Sie schaltete den Computer aus, ohne die E-Mail abgeschickt zu haben. »Lass sie herkommen, und wir befassen uns dann damit.«
»Das ist eine großartige Idee.« Und um in die richtige Stimmung für dieses Wiedersehen zu kommen, fügte ich hinzu: »Ich habe einen fröhlichen und beschwingten Spruch für den Moment einstudiert, da sie aufkreuzen.« Ich nahm sie an der Hand und führte sie zur Tür, öffnete sie und sagte: »Da sind sie ja, und bereits ausgestiegen.«
»John -«
Ich trat hinaus, riss die Arme hoch und rief: »Moni! Dad! Ich bin wieder dahaaa! «
Susan fand das komisch, erinnerte mich aber trotzdem: »Du bist ein Idiot.«
Wir gingen ins Büro zurück, wo ich die Karte von Detective Nastasi aus meiner Brieftasche holte. Ich wählte seine Büronummer und kam auf Anhieb durch. »Detective, hier ist John Sutter, ich sollte Sie zurückrufen.« Ich drückte auf die Lautsprechertaste, damit Susan mithören konnte.
»Stimmt«, sagte Detective Nastasi. »Nun, Sie haben meine Nachricht erhalten. Seine Frau sagt, er ist verreist.«
»Zu mir hat Bellarosa am Sonntag gesagt, er habe eine anstrengende Woche vor sich, weil man damit rechne, dass John Gotti bald stirbt, und er zu Totenwache und Beerdigung gehen müsse.«
»So? Nun, Gotti ist gestern Nachmittag im Gefängnishospital der Bundeshaftanstalt in Springfield gestorben. Es kam in den Zeitungen und Nachrichten.«
»Ich habe nichts mitbekommen«, erwiderte ich. Ich wollte ihn fragen, ob Jenny Alvarez noch für die
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