Nelson DeMille
wir uns das aufheben sollten, bis Edward aufkreuzte.
Das schnurlose Telefon klingelte, und ich ging ran. Es war der Ass-Typ, der fragte, ob wir einen Edward Sutter erwarteten, der mit dem Taxi eingetroffen sei.
»Ich glaube, das ist unser Sohn«, erwiderte ich.
»Wollte es nur noch mal nachprüfen.«
Wir gingen hinaus auf den Vorplatz und warteten auf Edward. Ein paar Minuten später fuhr ein gelbes Taxi vor, und er sprang mit einem breiten Grinsen heraus.
Susan rannte zu ihm, und sie umarmten und küssten sich. Dann war Carolyn an der Reihe - Ladies first -, danach ich. Edward schloss mich in die Arme und sagte: »Dad, das ist wirklich toll.«
»Du siehst klasse aus, Skipper. Gute Bräune.«
Und so standen wir alle da, zum ersten Mal seit zehn Jahren als Familie wiedervereint. Ich sah, dass Susan über diesen Moment dankbar war, und war mir sicher, dass sie über ihren Beitrag dazu nachdachte, weshalb es zehn Jahre bis zu diesem Augenblick gedauert hatte und warum es an ein Wunder grenzte. Ich bemerkte, dass sie sehr gerührt war, legte den Arm um sie und zeigte den Kids, was für ein toller und sensibler Typ ich bin.
Ich war nicht in einer so warmherzigen Familie aufgewachsen, die ihre Gefühle offen zeigte, ebenso wenig Susan oder irgendjemand, den wir kannten. Als wir aufwuchsen, waren familiäre Beziehungen im Allgemeinen kühler, und hier, in unseren höheren Gesellschaftsschichten, lagen sie nahe am Gefrierpunkt.
Aber die Welt hatte sich verändert, und Susan hatte vermutlich ein bisschen übertrieben, um unsere nach Zuneigung hungernde Kindheit wettzumachen. Ich konnte nur hoffen, dass Edward und Carolyn mit Umarmungen und Küssen nicht geizten, wenn sie erst mal verheiratet waren und Kinder hatten, und dass sie keine Verhältnisse eingingen und ihre Geliebten nicht umbrachten.
Ich fragte Edward, ob er Gepäck hatte, und er erwiderte ebenso wie Carolyn, dass er hier genug Garderobe zum Wechseln lagerte, bezeichnete es allerdings nicht als Garderobe. Es war Zeug.
Leider hatte er wie üblich nicht genug Zeug bei sich, um das Taxi zu bezahlen, deshalb kümmerte ich mich darum und gab ein dickes Trinkgeld. »Danke«, sagte der Fahrer zu mir. »Hey, das ist vielleicht 'ne Villa.«
Weil ich ihm nicht erklären wollte, dass die Villa ein Stück weiter hinten lag, sagte ich: »Einen schönen Tag noch.«
Als das Taxi bereits angefahren war, erinnerte sich Edward an seine Reisetasche auf dem Rücksitz und rannte dem Fahrer hinterher. War ich früher so schusselig? Ich glaubte es nicht. Ich sollte Harriet fragen. Sie ist mir gegenüber ehrlich. Brutal ehrlich.
Susan und ich hielten Händchen über dem Tisch, als wir auf dem Patio saßen, ein weiteres Mal mit Champagner auf die Sutters anstießen und das Obst und Gemüse aßen, das Sophie herausgebracht hatte. Wie war ich in London sieben Jahre lang ohne Sophie ausgekommen?
Ich sollte vielleicht erwähnen, dass sich Edward und Carolyn im Umgang mit Hauspersonal nie recht wohlgefühlt haben und immer etwas verlegten wirkten. Susan hingegen war mit der Vorstellung aufgewachsen, dass jeder, die Obdachlosen vermutlich eingeschlossen, zumindest ein Dienstmädchen hatte, das die Kartons sauber hielt, in denen sie hausten.
»Wir war dein Flug?«, fragte ich Edward.
»Okay. Aber dieses Zeug am Flughafen ist ätzend. Ich wurde rausgezogen.«
»Warum?«
»Weiß ich nicht.«
Edward sah nicht wie ein Terrorist aus, aber ich nutzte die Gelegenheit und ließ mich über seine schwarze Jeans und das hautenge schwarze T-Shirt aus. »Wenn du eine gute Hose, ein richtiges Hemd und ein Sportsakko anziehst, vorzugsweise einen blauen Blazer, wie ich ihn trage, erkennt jeder, dass du ein vermögender und bedeutender Mann bist, und man wird dich höflich und mit Respekt behandeln. Kleider machen Leute.«
»Dad«, erwiderte er.
»John«, sagte Susan.
Carolyn verdrehte nur die Augen.
Dann lachten wir alle.
»Was hat es mit den Typen im Pförtnerhaus auf sich?«, fragte Edward.
»Wie deine Mutter dir gemailt hat, macht sich Mr Nasim Sorgen - vielleicht wegen des 11. September -, dass es Leute geben könnte, die ihm möglicherweise etwas antun wollen«, erwiderte ich.
»Wer denn?«, fragte Edward.
»Ich glaube, seine Landsleute.«
»Wow! Können sie das? Ich meine, hier?«
»Naja ... die Zeiten haben sich geändert.« Ich wärmte meinen Witz wieder auf und sagte: »Ich habe in den städtischen Verordnungen nachgeschlagen, und dort heißt es, dass von Montag bis Samstag
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