Nelson DeMille
dich noch an das Essen in Le Marais, als du mit dem Sommelier geflirtet hast?« »Das erfindest du doch nur.«
Ich stieg ins Bett und küsste sie. »Das war der schönste Vatertag, den ich seit zehn Jahren hatte.« Nicht so schön für Onkel Sal oder irgendjemand anders im Giovanni's, aber...
»Für mich auch.«
»Und danke für die Yacht.«
»Wir werden ein Segelboot kaufen.« Sie schaltete die Lampe aus und wünschte mir eine gute Nacht.
Auch ich knipste meine Lampe aus. »Träum süß.«
Dann lag ich wach da, dachte an den heutigen Tag, an morgen und an den Dienstag in London. Hoffentlich war Anthony tot, wenn wir zurückkamen, und wenn nicht, hielt uns nichts davon ab, in meine Wohnung in London zu ziehen, bis von Anthony keine Gefahr mehr ausging. Aber erst mussten wir in den Flieger kommen.
67
Montagmorgen. Ein strahlend schöner Tag.
Wir standen zeitig auf, um Edward zu verabschieden, und Susan machte ihm ein herzhaftes Frühstück mit Schinken und Eiern, das ich ihm vertilgen half. Um halb acht kam ein Wagen mit Fahrer, um ihn abzuholen. Ich hätte ihn zum Flughafen gefahren, wollte mich aber nicht am JFK von ihm verabschieden. Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, als es auf Flughäfen genauso zuging wie auf Bahnhöfen und in Häfen und man Freunde und Verwandte zum Flugsteig begleiten und praktisch mit in die Maschine steigen durfte oder an Bord eines Ozeandampfers, um jemanden mit Cocktails zu verabschieden. Aber diese Zeiten waren längst vorbei, und Edward konnte sich nicht mehr daran erinnern. Mir kam der Gedanke, dass es eine ganze Generation gab, die diesen endlosen Krieg für normal hielt. Und genau genommen war er jetzt normal.
Susan, Edward und ich standen auf dem Vorplatz, und ich stellte fest, dass Edward diesmal an seine Reisetasche gedacht hatte. Ich fragte meinen Sohn mit dem genialen IQ: »Hast du Geld?«
»Mom hat mir Geld gegeben.«
»Gut. Dein Flugticket?«
»Hab ich.«
»Ausweis?«
»Hab ich.«
»Okay, ich glaube, du kannst aufbrechen.«
»Ruf an oder maile, sobald du ankommst«, sagte Susan. »In Ordnung.«
Ich konnte mich an ein paar Reisen erinnern, die ich unternommen hatte, als ich noch zu Hause wohnte, und meine Verabschiedungen waren nicht ganz so traurig oder besorgt gewesen wie jetzt bei Susan und mir. Vielleicht übertreiben wir ebenso sehr, wie unsere Eltern untertrieben.
»Wir rufen dich aus London an«, sagte Susan.
»Yeah. Gut. Wann fliegt ihr?«
»Morgen.« Wie wir dir gestern Abend gesagt haben. »Klasse. Schöne Reise.« »Vergiss nicht, dass der Brioni-Anzug in etwa acht Wochen kommt«, erinnerte ich ihn.
»Yeah, danke.«
Und Susan erinnerte ihn: »Schreibe oder maile deinen Großeltern - allen - und teil ihnen mit, wie sehr du dich gefreut hast, sie zu sehen.« »Okay.«
Wir umarmten uns und gaben uns Küsschen, und er sagte lächelnd: »Ihr seht gut zusammen aus.«
Das erwischte mich irgendwie unvorbereitet, und ich erwiderte nichts, aber Susan sagte: »Danke. Wir sehen uns im Juli in L.A., vielleicht auch im August. Dann aber hier, zum Segeln. Und dazwischen vielleicht bei der Hochzeit.«
Er lächelte. »Klasse.«
Noch eine Umarmung und ein Kuss, dann saß Edward im Auto, das langsam über die mit Schotter bestreute Zufahrt rollte. Er öffnete das hintere Fenster und winkte, bevor der Wagen im Schatten des von Bäumen gesäumten Weges verschwand.
Susan wischte sich mit einem Taschentuch die Augen. Einen geliebten Menschen zu verabschieden ist immer traurig, aber es ist noch viel trauriger, wenn man nicht weiß, wann - oder ob - man ihn wiedersieht.
Sophie wollte bis zur Ankunft der Stanhopes bleiben, die gegen halb zehn geplant war, es sei denn, ich fuhr rüber zum Creek und kappte die Bremsleitungen ihres Autos.
Sie fragte, ob sie Zeitungen besorgen sollte. Ich wollte unbedingt die bluttriefenden Frontseiten sehen und die sensationsgeile Berichterstattung über das Vatertags... was? Massaker? Nein. Nur Sally Da-da war umgenietet worden. Das war kein Massaker. Wie war's mit Vatertags-Bumbum?
Aber ich hatte Susan - und Felix Mancuso - versprochen, dass keine Zeitungen ins Haus kämen. Vielleicht musste ich später, wenn die Stanhopes weg waren, selbst losziehen und in einem Cafe die Daily News und die Post lesen.
»Heute keine Zeitungen«, erwiderte ich auf Sophies Angebot. »Mrs Sutter und ich stehen heute möglicherweise in den Nachrichten.«
»Ja? Schön.«
»Naja ... Vielleicht nicht so schön«, erklärte ich ihr. »Okay ...
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