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Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Vermächtnis
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während Jenny weitersprach, lief altes Archivmaterial über den Bildschirm: Frank auf der Treppe vor dem Gerichtsgebäude, aufgenommen an dem Tag, an dem ich ihn auf Kaution herausgepaukt hatte. Ich sah sogar kurz mich selbst. Schlechter Schlips.
    Genau in diesem Moment kam unglücklicherweise Susan herein, sah Frank Bellarosa auf dem Bildschirm, erstarrte, drehte sich um und verließ wortlos das Zimmer.
    Zugegeben, es war ein bisschen irritierend, Frank, der gut aussah, eine Zigarre rauchte und mit der Presse scherzte, im Fernsehen zu sehen. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, lag er in seinem Sarg und wirkte nicht mehr so munter.
    Ich hätte den Fernseher abschalten und ins Bett gehen sollen, aber das hier war wichtig - und unterhaltsam.
    Gerade sagte Jenny: »Wenn diese Gerüchte also zutreffen, können wir davon ausgehen, dass Gottes Mühlen für die New Yorker Familien des organisierten Verbrechens endlich ins Mahlen gekommen sind.«
    Und natürlich darf man eins nicht vergessen - was man sät, das erntet man.
    »Nach Aussage zuverlässiger Quellen wurde Tony Bellarosa seit etwa einer Woche weder zu Hause noch in seiner Geschäftsstelle oder seinen Stammlokalen gesehen, und er nahm gestern auch nicht an der Beerdigung von John Gotti teil.«
    Jenny ging auf den Machtkampf ein, der sich infolge von Mr Gottis Tod entwickelt hatte, kam wieder auf Anthony und Onkel Sal zu sprechen, dann auf Anthonys Vater Frank und danach ... da war ich wieder, wie ich neben Frank auf der Treppe vor dem Gerichtsgebäude stand. Der Film hatte keinen Ton, weil Jenny aus dem Off mit ihrer Reportage fortfuhr, aber man konnte sehen, wie ich eine Frage beantwortete, die mir niemand anders als eine jüngere Jenny Alvarez stellte. Damals waren Jenny und ich noch nicht mal befreundet gewesen - genau genommen hatte sie mich auf der Treppe vor dem Gerichtsgebäude kolossal genervt, und ich hatte sie auf Anhieb nicht leiden können, und sie mich auch nicht. Und dann ... tja, aus Hass wurde Lust, wie es häufig geschieht.
    Nun war wieder die heutige Jenny im Bild, was ihr eine weitere Gelegenheit geboten hätte, mich namentlich als den gutaussehenden und genialen Anwalt des toten Dons einzuführen, den wir gerade im Film gesehen hatten. Aber anscheinend fand sie mich keiner Erwähnung würdig, sondern schenkte mir lediglich diese paar Sekunden alten Archivmaterials. Sicherlich erinnerte sie sich an die Nacht im Plaza. Sie berichtete: »Ein anderer interessanter Gesichtspunkt bei dieser Geschichte ist, dass Tony Bellarosa der Neffe des Opfers Salvatore D'Alessio ist. Bellarosas Mutter und D'Alessios Frau - jetzt seine Witwe - sind Schwestern. Wenn also die Gerüchte bezüglich Tony Bellarosas Beteiligung an diesem Bandenmord zutreffen, dann bekommen wir dadurch einen Eindruck von dem ruchlosen -« Und so weiter und so fort.
    Tja, von Ruchlosigkeit verstehe ich nichts. Soweit es das Umlegen eines missliebigen Verwandten anging, bestand der einzige Unterschied zwischen mir und Anthony darin, dass er wusste, wen er anrufen musste, damit es erledigt wurde, während er verreist war. Ich wünschte, ich hätte die entsprechende Telefonnummer, sobald wir in London wären - 1-800-MOB-KILL? Bloß ein Witz.
    Jenny beendete ihre Reportage und sagte zum Moderator: »Wieder zu Ihnen, Chuck.«
    Ein junger Mann tauchte neben Jenny auf und stellte ihr eine Frage, die vermutlich spontan wirken sollte: »Jenny, was sagen Ihre Quellen über das Motiv für diesen Mord?«
    Jenny antwortete, als wäre sie darauf vorbereitet gewesen: »Meine Quellen sagen, wenn Tony Bellarosa hinter diesem Mord steckt, dann handelt es sich bei dem Motiv offensichtlich um Rache für das, was vor zehn Jahren geschah, als sein Vater, seine Mutter und ein anderes Paar -«
    Und wieder erwähnte sie meinen Namen nicht. Wollte sie mich schützen oder auf die Folter spannen?
    Chuck meinte, zehn Jahre wären ein zu großer Zeitraum für einen Racheakt, worauf Jenny ihm und den Zuschauern erklärte, was Geduld, gutes Gedächtnis und Vendetta in der Welt von La Cosa Nostra bedeuteten.
    Chuck hakte nach: »Meinen Sie, dass dieser Mord zu weiteren Morden führen wird?«
    »Das wäre durchaus möglich«, erwiderte Jenny. Der Meinung war ich auch.
    Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Anthony ganz schön in der Tinte saß oder, schlimmer noch, bereits in ihr ertrank. Dachte dieser Idiot - diese Mamaluca - etwa allen Ernstes, dass ihn niemand mit dem Mord an seinem Onkel in Verbindung bringen

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