Nelson DeMille
Sie mich daher direkt sein. William Stanhope ist ein Mann, der sich als moralisch verkommen, verderbt und sündig erwiesen hat. «
Holla. Ich setzte mich und nahm mir das nächste Blatt vor.
» Sein schamloses und zügelloses Verhalten fing an, als er auf dem College war, setzte sich während seiner Militärzeit und darüber hinaus fort und hörte auch nicht auf, als er heiratete. Selbst heute noch, nach so vielen Jahren, fällt es mir schwer, an diese Zeit zurückzudenken. Ich möchte bei meiner Beschreibung seines Verhaltens nicht deutlicher werden, aber ich werde Ihnen mitteilen, dass er den Jüngsten und Unschuldigsten unter dem weiblichen Personal auf Stanhope Hall Zwang antat - «
Ich unterbrach meine Lektüre und holte tief Luft. Mein Gott. Ich las die letzte Zeile noch mal, dann fuhr ich fort:
» Er hatte eine Schwäche für die ausländischen Mädchen, die ihm höchstwahrscheinlich keinen Widerstand leisten konnten. Vor und während des Krieges waren es die irischen Mädchen, die ihm zum Opfer fielen, und eine von ihnen, Bridget Behan hieß sie, wollte sich das Leben nehmen, nachdem er sich an ihr vergangen hatte. Und nach dem Krieg gab es viele Vertriebene, hauptsächlich deutsche und polnische Mädchen, die kaum Englisch sprachen und Angst hatten, deportiert zu werden, und ihm deshalb zu Willen waren. Eins dieser Mädchen, eine Polin, die nicht älter als sechzehn war und deren Namen mir leider nicht einfällt, wurde von ihm schwanger, worauf er sie in ihr Heimatland zurückschicken ließ.
Ich kann Ihnen hier nicht alles mitteilen, was in diesen Jahren geschehen ist, aber ich kann Ihnen sagen, dass dieses schändliche Verhalten weiterging, bis er und Mrs Stanhope nach Hilton Head abreisten.
Und jetzt, Mr Sutter, werden Sie bei sich denken, weshalb ich bis zu diesem Moment gewartet habe, um dies aufzudecken. Erstens muss ich Ihnen sagen, dass ich und andere auf Stanhope Hall versucht haben, Augustus Stanhope auf diese Angelegenheit aufmerksam zu machen, als er noch lebte, aber zu seiner Schande wollte er unsere Beschwerden nicht anhören. Und zu meiner ewigen Schande habe ich ihn diesbezüglich nicht bedrängt. Und meinem Mann George gereicht es zur Schande, dass er Augustus Stanhope diese Angelegenheit nicht vortragen wollte und mir zu schweigen gebot. Sie müssen verstehen, dass es seinerzeit unwahrscheinlich war, dass diese Mädchen bei den Behörden Anzeige erstatten würden oder dass man ihnen eher geglaubt hätte als William Stanhope, wenn sie es getan hätten. Ich weiß auch, dass man diesen Mädchen manchmal mit Entlassung oder Ausweisung gedroht und ihnen Geld gegeben hat, damit sie schwiegen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele junge Mädchen William Stanhope zum Opfer fielen, aber meiner Einschätzung nach ist nicht ein Jahr vergangen, ohne dass ich von einem Vorfall oder einer Beschwerde erfahren
habe. Der Gerechtigkeit halber muss ich anmerken, dass einige dieser Mädchen, vielleicht mehr, als ich weiß, sich bereitwillig auf diese Verbindung einließen und sich für Geld verkauften. Aber es gab mindestens ebenso viele, die keinen Wert auf William Stanhopes Annäherungsversuche legten, sich aber dennoch seinem ständigen Druck und seinen körperlichen Übergriffen unterwerfen mussten. Ich bin mir darüber im Klaren, während ich dies schreibe, dass ich keine Beweise für das habe, was ich sage, aber es gibt eine anständige, aufrechte Frau, die um diese Vorgänge weiß, und sie heißt Jenny Cotter, ein Name, an den Sie oder Mrs Sutter sich vielleicht noch aus der Zeit erinnern, als sie Chefhaushälterin auf Stanhope Hall war. Mrs Cotter lebt noch, während ich dies schreibe, und ist wohnhaft im Harbor-View-Pflegeheim in Glen Cove. Sie ist bereit und in der Lage, Ihnen nähere Einzelheiten zu nennen, falls Sie mehr wissen müssen oder wollen, als ich hier geschrieben habe. Und daher, Mr Sutter, ist mein Brief an Sie ebenso sehr ein Geständnis wie auch meine Entschuldigung dafür, dass ich all die Jahre geschwiegen habe. Verstehen Sie bitte, dass ich nur aus dem Grund geschwiegen habe, abgesehen davon, dass mein Mann es mir aufgetragen hat, weil ich der jungen Miss Susan - der späteren Mrs Sutter (und auch Mrs Stanhope) - keinerlei Schmerz oder Herzeleid bereiten wollte. Aber jetzt, da ich die Reise ins himmlische Königreich antrete, weiß ich, dass ich diese Last von meiner Seele nehmen muss, und ich weiß - in meinem Herzen -, dass Sie der Mensch sind, an den ich mich wegen dieser
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