Nelson DeMille
auf sich beruhen und sah zu, wie der Sand ins untere Uhrenglas rieselte. Mir war bewusst, dass man in anderen Kulturkreisen jede Menge Smalltalk macht, bevor man zum Geschäftlichen kommt, und ich weiß auch, dass das nicht nur aus Höflichkeit geschieht; der andere Typ versucht einen einzuschätzen und die gewonnenen Informationen später zu nutzen. In diesem Fall jedoch war das Geschäftliche ziemlich einfach und sollte weniger Zeit in Anspruch nehmen als ein Drei-Minuten-Ei. Nun ja, vielleicht wollte Amir Nasim nur höflich zu einem ehemaligen Aristokraten sein, der jetzt ohne Landbesitz war.
»Sie sind also Anwalt«, sagte er zu mir.
»Das stimmt.«
»Und als solcher waren Sie auch in London tätig.« »Amerikanisches Steuerrecht für britische und ausländische Mandanten.«
»Ah. Interessant. Ja, dafür besteht ein großer Bedarf. Ich habe eine Firma in London, daher können wir uns vielleicht eines Tages treffen und -« Die Zeit war um, und er nahm seine Kanne, goss den Tee durch ein Sieb in eine zierliche Tasse und sagte zu mir: »Bedienen Sie sich bitte, es sei denn, Sie möchten ihn stärker.«
Ich goss meinen Tee ein, während Mr Nasim etliche Löffel Zucker in seine Tasse schaufelte. »Zucker? Sahne? Zitrone?«, fragte er. »Ich trinke ihn pur.«
»Gut. Das ist die richtige Art. Aber ich brauche trotzdem Zucker.« Er trank einen Schluck. »Sehr gut. Ich nehme gefiltertes Wasser.«
»Ich auch«, sagte ich und fuhr fort: »Was das Pförtnerhaus angeht -«
»Probieren Sie etwas Süßes. Darf ich ihnen dieses empfehlen?« Er deutete auf einen klebrigen Haufen. »Das heißt Rangeenak.« Dann zählte er mir die fünf anderen Dessertsorten auf.
Mein Farsi, das noch nie gut war, schien ein bisschen eingerostet, deshalb sagte ich: »Ich probiere Nummer eins.«
»Ja. Ausgezeichnet.« Mit einer silbernen Zange nahm er einen Klumpen, der nach Datteln aussah, und legte ihn auf meinen Teller. »Wenn Sie es zu süß finden, würde ich Ihnen dieses empfehlen, es ist aus Sesampaste gemacht.«
»Okay. Also, was den Zweck meines Besuches angeht - es käme mir sehr gelegen, und ich hoffe, dass es Ihnen nicht ungelegen kommt, wenn ich ein, zwei Monate im Pförtnerhaus bleiben könnte.«
Er legte sich ein Stück von jedem Gebäck auf seinen Teller und erwiderte ganz lässig: »Ja, natürlich.«
Das überraschte mich, und ich sagte: »Tja ... das ist sehr nett von Ihnen. Ich kann einen Mietvertrag für einen Monat aufsetzen, gültig ab Mrs Allards Tod, mit einer Option für einen weiteren Monat. Also, vorausgesetzt, wir können uns auf einen Mietpreis einigen -«
»Ich stelle Ihnen keine Miete in Rechnung, Mr Sutter.« Das überraschte mich ebenfalls. »Ich bestehe -« »Keine Miete. Wollen Sie meine amerikanischen Steuern noch komplizierter machen?«, scherzte er.
Eigentlich verdiente ich damit meinen Lebensunterhalt, aber ich sagte: »Nun ... das ist sehr freundlich von Ihnen, doch ...«
»Ganz und gar nicht. Ich möchte Sie nur darum bitten, dass Sie bis zum ersten September ausziehen. Wenn Mrs Allard zu diesem Zeitpunkt noch lebt, sind Sie natürlich nach wie vor ihr Gast. Ansonsten bis zum ersten September.«
»Das dürfte kein Problem sein.«
»Gut.«
»Aber warum soll ich keinen Vertrag darüber aufsetzen? Rein rechtlich wäre es für uns beide gut, wenn wir das schriftlich hätten«, erklärte ich.
»Wir regeln das auf Treu und Glauben, Mr Sutter.«
»Wie Sie möchten.« Jetzt sollte ich ihm natürlich die Hand reichen - oder wollten wir uns die Adern aufritzen, Blut austauschen und anschließend um den Tisch tanzen? Nach ein paar peinlichen Sekunden streckte ich die Hand aus, und er schlug ein.
Mr Nasim goss sich eine weitere Tasse Tee ein, und ich trank einen Schluck aus meiner.
»Mir ist gerade etwas eingefallen«, sagte er. Ich wurde hellhörig.
»Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.«
Das ließ mich an den Abend denken, an dem Frank Bellarosa Susan und mich zu Kaffee und italienischem Gebäck nach Alhambra eingeladen hatte und an dem sich Don Bellarosa und ich hinterher zu Grappa und Zigarren in seine Bibliothek zurückzogen und er mich um einen Gefallen bat, der letztlich mein Leben ruinieren sollte. Mr Nasim genehmigte sich weder Alkohol noch Tabak, aber ich war davon überzeugt, dass der tote Don und er ansonsten allerhand Gemeinsamkeiten hatten.
»Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?«, fragte Mr Nasim.
»Bitten dürfen Sie.«
»Gut.« Er stopfte sich ein ziemlich großes
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