Nelson sucht das Glück
auseinandersetzte.
Wesentlich schmerzlicher als die Operation war für den jungen Hund die Reise, die Katey in der Woche danach antrat. Sie würde sechs Tage weg sein, und für Nelson war jede Minute, die sie nicht da war, eine Qual. Tagsüber ließ Don ihn draußen im Garten und kehrte erst am frühen Abend zurück. Gewöhnlich ging er dann mit ihm Gassi, doch an manchen Tagen wirkte er auf diesen Spaziergängen gelangweilt und zerstreut, und oft genug kam es auch vor, dass er einfach nur vor dem Fernseher hockte, Bier trank und, Nelson neben sich, Pizza aß. Die Pizza war immerhin etwas, auf das Nelson sich freuen lernte, zumal Don ihm die Reste am nächsten Tag kalt zu fressen gab, was genauso gut schmeckte wie warm. Manchmal warf ihm Don sogar ein ganzes Stück hin, an dem Nelson genauso genüsslich kaute wie an einem Knochen.
Während ihrer kleinen Konzerttournee vermisste Katey Nelson mehr, als sie erwartet hatte. Ihre Auftritte in vier verschiedenen Städten wurden ein voller Erfolg, und ihr Agent berichtete, für das kommende Jahr stünden jede Menge weitere Termine in Aussicht. Dass ihre Karriere offenbar richtig in Fahrt kam, freute sie, doch sie war auch ein wenig skeptisch, denn im Grunde wollte sie eigentlich nicht allzu viel Zeit ohne Don verbringen, und wenn sie ehrlich war, auch nicht ohne Nelson. Es überraschte sie selbst, dass sie sich manchmal mitten in einem Konzert, vor einem Publikum von Hunderten von Menschen, wenn sie aufregende Musiker und Dirigenten aus allen möglichen Ländern kennenlernte oder mit ihren Kollegen in teuren Restaurants beim Essen saß, nach nichts mehr sehnte, als bei ihrem Ehemann und ihrem Hund zu Hause zu sein.
Als sie endlich wieder heimkam, wurde sie ganze zwanzig Minuten von Nelson begrüßt. Er wedelte wild mit dem Schwanz, sprang in die Höhe, bellte vor Freude. Als sie ihn auf den Arm nahm, leckte er ihr heftig das Gesicht ab und nahm mit kurzen schnellen Atemzügen ihren Geruch in sich auf. Sie drückte und küsste den kleinen Hund. Den ganzen Tag über wich er ihr nicht mehr von der Seite, folgte ihr überall hin. Seine Freude war einfach überwältigend.
7
Mit etwa einem Jahr war Nelson ausgewachsen, doch er war immer noch so lebhaft wie ein Welpe und kaute an allem herum, was er zwischen die Zähne bekam. Erst etwa im Alter von zwei Jahren wirkte er endlich erwachsen. Seine Rute stand stolz hoch und verkündete wie die Standarte eines römischen Heeres, dass er da war. Sein größter Genuss war es, im Garten herumzuschnüffeln. Und aus seinen Augen sprach, so fand Katey, eine gewisse Weisheit. Vielleicht lag das ja nur an dem schwarzen und weißen Kreis außen herum, doch für sie hatte es jedenfalls den Anschein, als blicke er sie voller Klugheit und Lebenserfahrung an.
Kurz nach seinem zweiten Geburtstag begann sich Kateys, Dons und Nelsons Leben ziemlich rapide zu verändern. Plötzlich war Don die ganze Zeit zu Hause. Zuerst kam es Nelson wie ein endlos langes Wochenende vor, doch schon bald spürte er, dass Don nicht begeistert davon war, so viel zu Hause zu sein. Der junge Hund wusste nichts über die Umstände, die zu seiner unfairen Entlassung von der Uni geführt hatten, doch er nahm deutlich die Wut und Frustration wahr, die förmlich aus Dons Poren strömten. Don war gerne Professor gewesen und hatte seine Geschichtsseminare mit Humor, Liebe zum Detail und Engagement gegeben. Als auf die Streichung von öffentlichen Mitteln eine Entlassungswelle folgte, musste Don voller Unmut dabei zusehen, wie andere Professoren wegen ihres Dienstalters und ihrer Meriten ihre Posten behielten, obwohl ihrer Arbeit schon lange die Leidenschaft und Sorgfalt fehlten, die Don sowohl auf seine Vorlesungen als auch auf die Betreuung seiner Studenten verwandte. Nachdem er seine Stelle verloren hatte, saß er jeden Tag mehrere Stunden lang am Computer und suchte angestrengt nach einem neuen Job. Außerdem nutzte er die Zeit, indem er sich durch Lektüre und das Verfassen einiger akademischer Beiträge in seinem Fach auf dem Laufenden hielt. Doch als die Monate ins Land gingen, rückte die Möglichkeit eines neuen Jobs an der Uni in immer weitere Ferne, und Don fing an, sich die Zeit vor der Glotze zu vertreiben oder ziellos im Haus umherzugehen. Wenn Nelson roch, dass eine Bierflasche geöffnet wurde, war er auf der Hut, denn dann gab es manchmal später am Abend einen Streit. Er verstand nicht, worüber Katey und Don redeten; er begriff auch nicht, dass Dons Gefühl
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