Nelson sucht das Glück
die die Menschen wegwarfen. Marta hatte sich sogar immer über die hartnäckige Gewohnheit ihres Mannes gewundert, für ihren Schäferhund Dosenfutter zu kaufen, während er sich strikt dagegen wehrte, ihm Essensreste zu verfüttern. Darin war ihr Mann geradezu militant, weil er behauptete, die Reste seien schlecht für einen Hund und führten zu Magenverstimmungen. Als sie noch ein Kind in Mexiko war, hatte Marta es immer schrecklich gefunden, das Leid der vielen Straßenhunde mit anzusehen. Doch sie wusste, dass Abfälle vom menschlichen Tisch für einen Hund ein gutes Futter waren. Ihr Großvater hatte ihr erzählt, dass die Hunde von den Wölfen abstammten, weil diese vor Tausenden von Jahren die Reste rund um menschliche Lagerfeuer gefressen hatten, und für Marta gab es keinen Grund, mit dieser Tradition zu brechen.
Und so ließ sie es zu, dass sich der kleine Hund satt aß, wenn er sich in der Nähe des Restaurants herumtrieb. Wann immer sie einen von ihren Mitarbeitern sah, der versuchte, ihn zu vertreiben, schalt sie ihn dafür, und so wurde es schließlich akzeptiert, dass Nelson sich von den Abfällen des Restaurants bedienen konnte, wann immer er wollte. Manchmal hob sie ihm sogar noch ein paar besondere Leckereien auf, etwa ein halb gegessenes Filet oder ein Stück Käsekuchen, und fütterte es Nelson. Gelegentlich dachte sie darüber nach, den Hund mit nach Hause zu nehmen, doch ihr Mann wollte nichts davon wissen. Marta liebte den Ausdruck von Neugier auf Nelsons Gesicht, und die Art, wie er den Schwanz hoch aufstellte wie ein Elefant, der einem Maharadscha zufächelt. Doch ihr Mann wollte nur einen reinrassigen Hund bei sich zu Hause haben, und noch dazu nur einen großen.
Nelson traf nie die bewusste Entscheidung, in der kleinen Stadt zu bleiben. Es war eine Kombination aus verschiedenen Ereignissen, weshalb es dazu kam: der besondere süße Geruch, der hier überall in der Luft lag, Martas Kochkünste und der Wunsch, Thatcher wiederzufinden, der allerdings allmählich verblasste. Und als Thatcher nur noch eine ferne Erinnerung war, hatte sich Nelson in Kalispell eingelebt.
Doch der wichtigste Grund, der Nelson in Kalispell hielt, war eine Hundedame.
15
Lucy war nie so weit herumgekommen wie Nelson. Ja, auch sie war eine Streunerin, doch Montana hatte sie nie verlassen. Als ein Mischlingshund, der in sich so viele verschiedene Rassen vereinte, dass es unmöglich gewesen wäre, allein von ihrem Äußeren her einen Stammbaum zu erstellen, war Lucy auf den Straßen von Helena, Montana, in einem Wurf von vier Welpen geboren worden. Ihr Vater war eine Promenadenmischung gewesen und ihre Mutter ebenso. Ihr Vater war unter den Rädern eines LKWs gestorben, noch bevor sie geboren wurde. Die Geburt hatte ihre Mutter in einem engen, dunklen Belüftungsschacht in einem von Helenas älteren Gebäuden hinter sich gebracht. Nach der Geburt war sie erschöpft gewesen, doch sie fand immer noch die Kraft, in den Mülltonnen der Gegend nach Futter zu suchen, damit sie genug Milch hatte, um ihren vier gierigen Welpen die Mäuler zu stopfen.
Doch sie hatte nicht genügend Milch gehabt, um alle Welpen durchzubringen, und so waren zwei gestorben. Eines Nachts hatten ein Mann und seine Tochter das Wimmern der beiden kleinen Hunde gehört, die vor Hunger winselten. Ihre Mutter war zu diesem Zeitpunkt unterwegs, auf der Suche nach Futter, das auch ihren eigenen quälenden Hunger stillen könnte. Die Tochter des Mannes hatte so lange gebettelt, die beiden kleinen Hunde mit nach Hause zu nehmen, bis er nachgab. Zwei Tage später war auch Lucys Schwester gestorben.
Doch Lucy überlebte. Ihr neues Frauchen, Caitlin, benannte sie nach dem berühmten Beatles-Song. Sie war sandfarben, klein, hatte kurze Beine und leuchtend blaue Augen. Ihre Rute war flauschig und ausdrucksstark, ganz ähnlich wie die von Nelson. Schon bald hatte sie ihre Mutter und die Geschwister vergessen, und Caitlin wurde ihre große Liebe.
Sechs Monate später gewann Caitlins geschiedene Mutter den Sorgerechtsprozess, und Caitlin flog nach Kalifornien, um bei ihr zu leben. Caitlin liebte Lucy und hätte den kleinen Hund schrecklich gerne mitgenommen, doch ihre Mutter war allergisch gegen Katzen- und Hundehaare und wollte sich außerdem von ihrer Tochter nicht zu etwas zwingen lassen. Caitlin weinte eine Woche lang. Ihr Vater behielt Lucy, doch er hatte Hunde nie besonders gemocht und tat es nur, damit Caitlin einen Grund hatte, ihn möglichst oft zu
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