Nelson sucht das Glück
besuchen.
Doch Lucy gab Caitlin nicht verloren. Bald wurde ihr bewusst, dass sie aus dem Haus des Vaters von Caitlin weglaufen und nach ihr suchen musste. Lucy war eine geübte Buddlerin und begann ein Loch unter dem Zaun zu graben, durch das sie irgendwann in die Freiheit entwischen würde. Jeden Tag, während Caitlins Vater in der Arbeit war, buddelte Lucy. Eines Abends stellte Caitlins Vater, als er nach Hause kam, fest, dass der Hund verschwunden war, und er entdeckte schon bald das Loch unter dem Zaun, durch das sie entkommen war. Seine Tochter weinte tagelang, als er ihr erzählte, dass Lucy weggelaufen war. Doch er war ziemlich erleichtert, dass der Hund weg war, und so wandte er in den folgenden Tagen nicht allzu viel Mühe auf die Suche nach Lucy auf.
So wie Nelsons lange Reise war auch Lucys Ausflug nach Kalispell kompliziert gewesen, und manchmal hatte sie sich gefürchtet und einsam gefühlt. Die Chancen eines herrenlosen Hundes, auf der Straße lange zu überleben, waren nicht gut. Doch Lucy ließ sich immer wieder etwas einfallen. Sie war ein findiger Hund mit kräftiger Konstitution und fröhlichem Gemüt. Und so hatte sie überlebt. Schon bald wurde ihre ursprüngliche Absicht, Caitlin zu finden, von dem Bedürfnis, zu überleben, abgelöst.
Normalerweise wachte Nelson nicht auf dieselbe Weise durch einen Geruch auf, wie es Menschen bei einem lauten Geräusch tun. Doch eines Morgens, etwa einen Monat nach seiner Ankunft in Kalispell, drang ein ebenso kräftiger wie betörender Geruch in sein Bewusstsein und weckte ihn.
Nelson hatte sich angewöhnt, die Nacht in der Nähe der Heizungsrohre der Truckerkneipe zu verbringen, wo er sich jeden Morgen sein Frühstück holte. Der Winter stand bevor, und der stete Schwall heißer Luft, der durch die Rohre kam, hielt ihn die meisten Nächte warm. Er konnte spüren, dass es allmählich kälter wurde, doch der kleine Hund schloss daraus nicht, dass es einen harten Winter geben würde. Hätte er das gewusst, wäre es bestimmt Anlass zu großer Sorge für ihn gewesen.
Nelson träumte von Thatcher und Katey. Er schlief bei ihnen in einem Haus, das er nicht kannte, einem Haus, das aus seltsamen Hölzern erbaut war. In den Dachsparren und unter den Dielen roch es nach Ratten. Doch dieser verstörende Traum wurde von Lucys Geruch durchbrochen. Es war kein Geruch wie jeder andere auch. Als sich Nelson aufrichtete, fiel gerade ein leichter Regen, obwohl die Sonne immer noch einzelne Strahlen durch die grauen Wolken schickte. Im Gegensatz zu sonst, wenn der Regen meistens alle Gerüche aus der Luft wusch, wurde der Duft, der in Nelsons Nase gelandet war, durch die Regentropfen eher noch verstärkt. Nelson wusste, dass es der Geruch eines anderen Hundes war. Doch es war noch viel mehr als nur das. Dieser Geruch war mit Leben erfüllt, ein Duft, der universell und essentiell und damit unwiderstehlich war. Er lockte ihn, dieser Duft, nein: Er packte ihn und zwang ihn, nach seinem Urheber zu suchen.
Lucy war auf dem Parkplatz unterwegs und suchte nach Futter. An diesem Morgen war sie in aller Frühe in die Stadt gekommen. Sie war erschöpft, konnte jedoch wegen ihres leeren Magens nicht schlafen. Immer wenn sie läufig war, verstärkte das ihren Hunger dramatisch, und es wurde schwierig für sie, genug Futter zu finden, um ihren großen Appetit zu stillen.
Nach Kalispell hatten sie die Aromen menschlichen Essens gelockt, die den Interstate Highway entlangwehten. Das Essen der Menschen war immer gut, sofern man es bekommen konnte. Wenn sie eine Stadt fand, in der sie eine Weile ungestört bleiben konnte, blieb sie gerne. Einmal war sie von Hundefängern erwischt und in einen schrecklichen Zwinger gebracht worden. Über allem lauerte der Geruch des Todes. Manchmal wurden Hunde von den Freiwilligen mitgenommen, die in dem Zwinger arbeiteten, und zu einem Platz gebracht, der nicht weit weg war und wo ihre vertrauten Hundegerüche zu etwas wurden, das Lucy zutiefst beunruhigend fand. Da war auch ein Hauch von Flammen und Rauch, und auf einmal hing nur noch ein winziger Rest des Hundegeruches in der Luft. Lucy war fest entschlossen, diesem Schicksal zu entfliehen. Ihre Angst war so groß, dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten.
Bei kleinen Hunden standen die Chancen besser, dem Hundeheim zu entkommen, indem sie zwischen den Beinen der Menschen, die sie einsperrten, hindurchschlüpften und davonliefen, und so hatte auch Lucy es geschafft, zu fliehen. Aufgrund dieser
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