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Nelson sucht das Glück

Nelson sucht das Glück

Titel: Nelson sucht das Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Lazar
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das Rudel, das Schutz benötigte. Als Nelson knurrte, drehte sich der Rest des Rudels um und starrte ihn an. Der Wolf mit dem weißen Streifen knurrte, als wollte er Nelson davor warnen, ihr Jagdritual zu stören. Doch auch der Wolfsvater hatte jetzt die Witterung der Tiere aufgenommen, die Nelson gerochen hatte, und preschte rasch auf sie zu. Langsam setzte sich das Rudel hinter ihm in Bewegung.
    Zwei erwachsene Rehe grasten ruhig im Mondlicht. Ihr braunes Fell schimmerte in dem silbrigen Licht. Hätte da nicht ein Wolfsrudel in der Nähe gelauert, wäre es ein hübscher Anblick gewesen. Die beiden erwachsenen Tiere waren Weibchen. Das männliche Tier, mit dem eines von ihnen sich ein paar Monate zuvor gepaart hatte, graste etwa dreißig Meter entfernt. Es war ein herrliches, großes Tier mit dramatisch geschwungenem Geweih und durchdringendem Blick.
    Das Interesse des Wolfsvaters galt nicht den beiden erwachsenen Rehen, sondern dem kleinen Kitz, das seelenruhig in ihrem Schatten äste. Es war nur ein paar Monate alt und hatte erst kürzlich begonnen, Gras zu fressen, nachdem es die ersten Lebensmonate von der Muttermilch gelebt hatte.
    Als Anführer des Rudels bewegte sich der Wolfsvater rasch vorwärts. Ein Moment des Zögerns, und die Gelegenheit könnte sich zerschlagen. Die beiden Rehe hatten während ihrer Jahre in der Wildnis schon oft Wölfe oder Kojoten gerochen. Und schon oft waren sie den kräftigen Kiefern von Wildhunden entkommen. Als ihnen nun der machtvolle Geruch nach Wolf in die Nüstern stieg, war ihr erster Instinkt, um ihr Leben zu laufen. Eines der Rehe verschwand rasch ins Unterholz. Doch es entsprach dem Instinkt des Muttertieres, sein junges Kitz zu beschützen. Rasch stupste es das Kleine mit der Schnauze an und versuchte, es dazu zu bewegen, vor den Wölfen davonzulaufen.
    Doch das Kitz kannte die Gefahren der Welt noch nicht und weigerte sich hartnäckig, sich in Bewegung zu setzen. Dann war es zu spät. Die Wölfe preschten vor. Drei von ihnen, unterstützt vom kräftigsten der Welpen, schnappten nach den Läufen des erwachsenen Rehs, der Wolf mit dem weißen Streifen biss zu, Blut spritzte in hohem Bogen aus der Wunde. Das Mutterreh schrie vor Schmerz auf. Jetzt stürzten sich die Wolfseltern auf das Kitz und zerrten es zu Boden. Es kämpfte, war jedoch nicht auf die starken Kiefer und die kraftvollen und schweren Körper der beiden riesigen Wölfe vorbereitet, die sich auf es stürzten.
    Die beiden anderen Welpen liefen instinktiv nach vorn zur Beute, und Nelson folgte ihnen, hielt sich jedoch ein paar Schritte entfernt. Sein Instinkt sagte ihm, dass es sich bei dem Kitz um ein junges Tier handelte, und ein Junges war etwas, mit dem man spielte und seine Späße machte, das man jedoch nicht tötete. Bestürzt sah er dabei zu, wie die Wolfsmutter dem kleinen Reh die Kehle durchbiss. Es schrie vor Schmerz auf. Die Mutter des Rehs sah einen Moment lang zu, wobei ihr das Herz brach, doch dann verschwand sie in der Nacht, um ihr eigenes Leben zu retten. Sie wusste, dass ihr Kleines nur noch wenige Momente zu leben hatte. Ein paar hundert Meter weiter hörte der Vater des Kitzes es schreien und wusste, was geschehen war. Auch er würde nicht versuchen, den Wölfen Einhalt zu gebieten. Während das Mutterreh in die Nacht davonlief, stürzten sich die verbliebenen erwachsenen Wölfe auf das Rehkitz, aus dessen Adern die Wolfsmutter Blut trank. Die anderen erwachsenen Wölfe schnappten nach seinen Fersen, während auch das letzte Fünkchen Leben aus dem jungen Tier wich und es schlaff zu Boden sank.
    Jetzt war das ganze Rudel zur Stelle. Da die Wolfsmutter und ihre Jungen mitgekommen waren, bestand keine Notwendigkeit, die Beute bis zur Höhle zu zerren. Sie würden das Tier ganz frisch fressen. Der Wolfsvater und die Mutter arbeiteten sich rasch zu seinen Eingeweiden, dann waren die erwachsenen Wölfe und die Wolfswelpen an der Reihe und begannen an dem jungen Fleisch zu zerren. Der Geruch von frischem Blut lag in der Luft.
    Nelson schaute ihnen einfach nur verwirrt zu. Er spürte, dass die Wölfe, indem sie ihre Beute fraßen, etwas zum Ausdruck brachten, das tief in ihrer Natur lag. Doch seine Natur war das nicht. Während er mit ihnen im Bau lebte, hatte er sich diesen Tieren, besonders ihren Jungen, tief verbunden gefühlt. Er hatte das Gefühl gehabt, einer von ihnen zu sein. Aber im Moment des Tötens empfand der Hund etwas anderes. Er fühlte sich fremd und allein. Es lag einfach nicht

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