Nelson sucht das Glück
waren, zu starken, erwachsenen Wölfen. Sie lernten, zu jagen und zu töten. Die Wölfin spürte, dass der Tag nicht fern war, an dem sie von dem Zuhause der Wolfseltern vertrieben werden mussten. Nur aus Nelson wurde sie nicht recht schlau. Er veränderte sich nicht so stark, wie sie es bei ihren Welpen gewöhnt war. Einerseits liebte die Wolfsmutter ihn ebenso wie ihre eigenen Jungen, doch sie war kein liebendes Wesen, so wie es ein Hund war oder wie die Menschen es sein konnten. Das Rudel, die Sicherheit des Rudels und die Herrschaft von ihr und dem Wolfsvater über das Rudel – das waren die Dinge, die für sie im Vordergrund standen.
Nelson spürte die wachsende Antipathie der Wolfsmutter und des Vaters. Er kam ihnen nicht mehr so nahe wie früher, spielte aber dennoch mit den Welpen, so viel er konnte. Doch weil die Jungen immer stärker wurden, wurde es zunehmend schwieriger, mit ihnen so zu spielen wie früher. Immer öfter musste er sich auf den Rücken werfen und winseln, um ihnen seine Unterwürfigkeit zu zeigen. Ihr Spiel war aggressiver geworden, seit sie an der Jagd teilnahmen, denn es war zu einem Bild des Jagens und Tötens geworden. Nur indem er sich ständig unterwarf, vermied er es, verletzt zu werden.
Auch in der Nacht, nachdem Nelson mit den Wölfen auf die Jagd gegangen war, versammelten sich die Wölfe wieder, um auf die Jagd zu gehen. Nelson fürchtete sich davor, allein in der Höhle zurückzubleiben, aber in dieser Nacht wollte er nicht mit den anderen jagen. Er setzte sich hin und rührte sich nicht. Die Wolfsmutter schaute noch einmal zu ihm zurück, als sie sich in den kalten Abend davonschlichen, und knurrte. Zum ersten Mal ging ihr der Gedanke durch den Kopf, den dreibeinigen Hund zu töten.
Während das Rudel bereits durch die Nacht unterwegs war, kehrte sie noch einmal zu Nelson zurück und starrte ihn mit ihren ausdrucksvollen Augen an. Sie fletschte die Zähne. Er brachte die Ordnung des Rudels durcheinander und störte die Natur der Dinge. Der dreibeinige Hund rollte sich auf den Rücken, unterwarf sich in der Hoffnung, die Wolfsmutter würde ihn in Ruhe lassen. Doch sie kam noch näher an ihn heran, öffnete ihr Maul und zeigte ihm die scharfen Zähne. Nelson stellten sich die Nackenhaare auf. Die Wolfsmutter spannte den Kiefer an und machte sich bereit, ihn anzuspringen.
In der Ferne bellte der Wolfsvater. Er wollte, dass die Wolfsmutter während der Jagd bei ihm war. Im Rudel war nur die Macht des Wolfsvaters größer als ihre eigene, und so drehte sich die Wolfsmutter langsam um und rannte in die Nacht davon. Nelson rollte herum und sprang auf. Er bebte vor Angst.
Wäre Nelson in dieser Nacht geblieben, hätten ihn die Wölfe getötet, doch das würde er nie erfahren. Nachdem die Wölfe zur Jagd aufgebrochen waren, saß er eine Weile da und hob die Nase schnüffelnd in die Abendbrise. Er fror, und so kroch er in den Wolfsbau zurück, um sich aufzuwärmen. Doch auch dort war es ohne die Körperwärme der anderen Tiere kalt. Und so schnüffelte er auf dem Rastplatz rund um den Bau herum. Er grub einen Rehknochen aus, den einer der Wölfe verbuddelt hatte, und kaute eine Weile darauf herum, bis er das ganze Mark herausgesogen hatte. Für ein paar Stunden konnte das seinen Hunger stillen. Hunde denken nicht wie Menschen, und so traf Nelson niemals bewusst die Entscheidung, den Wolfsbau zu verlassen. Doch die Angst, die sich in seinem Herzen ausgebreitet hatte, nachdem die Wolfsmutter ihn fast getötet hatte, wollte einfach nicht weichen. Überall um ihn herum roch er die intensive Witterung des Wolfes mit dem weißen Streifen, der ihn drangsalierte, und obwohl Nelson in diesem Moment ganz allein war, wuchs die Angst in ihm. Zunächst entfernte er sich ganz langsam von dem Wolfsbau, lief in die entgegengesetzte Richtung, die die Wölfe an diesem Abend eingeschlagen hatten, doch ein paar Minuten später lief er um sein Leben.
Als die Wölfe in jener Nacht zurückkehrten, war Nelson fort. Sie rochen ihn noch überall im Wolfsbau, und die Wolfsmutter folgte ein Stück weit dem Weg, den er von dort eingeschlagen hatte. Doch sie war träge von der Mahlzeit, die sie gerade genossen hatten, hatte viel Wasser aus dem Fluss getrunken und wollte nur noch schlafen. Schon jetzt war Nelson in ihrem Geiste keiner der ihren mehr. Und so kroch sie in den Bau und schlief. Sie träumte von Blut.
Auch der Wolf mit dem weißen Streifen hatte bemerkt, dass der Hund weg war, und ein
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