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Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Titel: Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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fassungslos dreinblickende potenzielle Millionäre zurück. Korrektur: einen zukünftigen Millionär und fünf vergeblich Hoffende, die noch nicht wussten, dass sie bereits auf die Verliererstraße eingeschwenkt waren.
    »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr«, sagte Ed leise.
    »Ich auch nicht«, gestand Stefan. »Aber in einem hat er Recht: Wenigstens brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen. Ehrlich gesagt: Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich kenne nur diesen Flemming. Ohne ihn …«
    »… wäre es schwierig geworden, wenn sich jetzt nicht doch noch jemand von der Kanzlei gemeldet hätte«, beendete ich seinen Satz. Er war nicht der Einzige, dem ein Stein vom Herzen fiel.
    »Auf jeden Fall geht es weiter«, pflichtete mir Ellen bei.
    »Ich will ja hier nicht den Moralapostel herauskehren«, mischte sich Maria ein. Ihre Stimme zitterte leicht, und sie senkte ganz instinktiv den Blick, als sich plötzlich aller Aufmerksamkeit auf sie richtete. Wenn ich jemals einen Menschen gesehen hatte, der Angst vor seiner eigenen Courage hatte, dann sie und in diesem Moment. Dennoch fuhr sie fort: »Aber habt ihr eigentlich ganz vergessen, dass der Mann tot ist? Großer Gott, nebenan liegt ein Toter, und eure einzige Sorge ist, wo ihr schlafen sollt und wie es weitergeht?!«
    Eine Sekunde lang machte sich betretenes Schweigen breit — aber ich hatte nicht das Gefühl, dass das unbedingt an dem lag, was Maria gesagt hatte. Vielmehr schienen alle (mich eingeschlossen) ein wenig verdutzt über den Umstand, dass sie überhaupt etwas gesagt hatte. Um ehrlich zu sein: Irgendwie hatte ich längst vergessen, dass sie da war.
    »Das … stimmt«, sagte Ellen schließlich. »Du hast völlig Recht, Schätzchen. Aber es ändert nichts, weißt du?
    Menschen sterben dauernd, aber das Leben geht nun mal weiter.«
    Marias Augen blitzten. »Mag sein. Aber das Leben geht nun auch mal weiter, wenn man ein bisschen Pietät zeigt.
    Und nennen Sie mich nicht Schätzchen.«
    Ellen blinzelte; eindeutig nur überrascht, nicht etwa verärgert. Marias Worte hätten sie vielleicht getroffen, hätte sie sie im dazu passenden Tonfall vorgebracht oder auch einfach nur ruhig. Aber Marias Stimme bebte, und zwar nicht vor Zorn, sondern vor Angst; entweder vor Ellen, viel wahrscheinlicher aber vor ihrer eigenen Courage.
    »Ganz wie du willst, Liebchen«, sagte Ellen schließlich mit einem zuckersüßen Lächeln. Demonstrativ griff sie nach ihrem Kaffee, trank den Rest aus der Tasse und stand auf; gleichzeitig griff sie nach ihrer Reisetasche und warf sie sich über die Schulter. Nicht einfach so. Die Bewegung war gezielt und beabsichtigt und sie galt ganz eindeutig nur einer einzigen Person hier im Raum. Es war jene ganz besondere Art von Drehung, aus der eine unaufdringliche sportliche Eleganz und Kraft sprach und die einen unwillkürlich an eine Hollywood-Schönheit denken ließ, die sich auf dem Tennisplatz das Handtuch über die Schulter wirft.
    Ellen verkniff es sich, ihre strahlend weißen Zähne aufblitzen zu lassen und das Haar zurückzuwerfen, aber irgendwie sah man es trotzdem. Ich hatte so etwas noch nie vorher beobachtet und, um ehrlich zu sein, auch hinterher nicht, aber diese eine, beiläufige Bewegung war wie ein gezielter Schlag in Marias Gesicht. Ein Schlag, der traf und der wehtat. Er machte mir Ellen ganz bestimmt nicht sympathischer — und das sollte er auch nicht —, aber er machte nicht nur mir endgültig klar, wer Ellen war.
    »Peace, Freunde«, sagte Ed. Völlig unpassend dazu spreizte er Zeige- und Mittelfinger zum Victory-Zeichen, ehe er seine Beine auseinander faltete und ebenfalls aufstand. Nacheinander erhoben sich auch Stefan, Judith und Maria, während ich — eigentlich ohne besonderen Grund
    — noch etliche Sekunden verstreichen ließ, ehe ich ebenfalls aufstand. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es dadurch allein an mir war, mich um das Gepäck der grauen Maus zu kümmern; nicht dass ich die Höflichkeit mit Löffeln gefressen hätte, aber lebenslang antrainierte Gewohnheiten lassen sich nun einmal schlecht von heute auf morgen wieder ablegen.
    Doch als ich nach dem schrankkoffergroßen Gepäckstück greifen wollte, kam mir Maria zuvor. Mit einer irgendwie zornig wirkenden Bewegung — und übrigens ohne die allermindeste Mühe — riss sie den Koffer hoch und stapfte in Richtung Tür. Ed runzelte die Stirn, war aber zumindest in diesem Moment klug genug, nichts zu sagen, während auf Ellens Lippen die

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