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Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Titel: Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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noch einmal mit den Schultern und trollte sich endlich. Ellen blickte ihm kopfschüttelnd nach, während Ed sichtlich Mühe hatte, ein Grinsen zu unterdrücken.
    »Das fängt ja gut an«, seufzte Pummelchen, nachdem wir wieder allein waren. Judith, verbesserte ich mich in Gedanken. Ich sollte aufhören, sie Pummelchen zu nennen (auch wenn sie es war), wenn ich nicht Gefahr laufen wollte, dass es mir irgendwann einmal laut herausrutschte.
    Außerdem war es unfair. Judith war nicht dick. Sie hatte Übergewicht, aber mit diesem Problem stand sie nun wirklich nicht allein da. Sie hatte einfach nur das Pech, dass sich ihre überzähligen Pfunde auf Stellen verteilten, an denen sie ganz besonders ins Auge fielen. Aber sie hatte ein offenes, sehr freundliches Gesicht, das diesen Makel mehr als wettmachte.
    »Ein klassischer Fehlstart«, bestätigte Ed. Er warf einen schrägen Blick in meine Richtung, nippte an seinem Bier und prostete mir anschließend mit dem Glas zu. »Ich schlage vor, wir vergessen alles, was in der letzten halben Stunde passiert ist, und fangen noch mal von vorne an.
    Schließlich sind wir doch alle eine große glückliche Familie, oder? Also, falls ihr es vergessen haben solltet: Mein Name ist Ed. Eduard, wenn ihr’s genau wissen wollt, aber dafür kann ich nichts. Meine Eltern müssen stoned gewesen sein, als sie sich den Namen ausgedacht haben.«
    »Und vor allem total bekifft, als sie dich gezeugt haben«, dachte ich.
    Wenigstens glaubte ich, es nur gedacht zu haben. Aber dann begegnete ich Judiths Blick und dem amüsierten Glitzern in ihren Augen und begriff, dass zumindest sie mich gehört haben musste (hoffentlich auch nur sie) und ihre Meinung über Ed sich mit meiner ziemlich zu decken schien. Ich deutete ein Grinsen und ein Schulterzucken an, griff hastig nach meinem Kaffee und nannte gehorsam meinen Namen, als die anderen sich auf Eds infantilen Vorschlag einließen. Ich glaubte nicht, dass dieses alberne Spielchen irgendetwas ändern würde, aber wenigstens würde es auch nicht schaden.
    Meine Hand juckte wieder. Ich setzte die Kaffeetasse ab, streckte die Finger aus, um mich zu kratzen …
    … und spürte so, wie ich erstarrte und mir alles Blut aus dem Gesicht wich.
    »In einem hat er ja Recht«, sagte Judith. »Es war ein klassischer Fehlstart, also versuchen wir’s noch mal. Ich denke, das ist …« Sie stockte. »Was ist los?«
    Ich konnte genauso wenig antworten, wie es mir gelang, meinen Blick von meiner linken Hand zu lösen, aber ich spürte, wie mein Herz schon wieder zu hämmern begann.
    Meine Hand hatte wieder zu zittern begonnen. Genau in der Lücke zwischen Mittel- und Ringfinger, dort, wo sich die feinen Handflächenknöchelchen vereinten, befand sich eine winzige rote Schwellung.
    Eine Sekunde lang versuchte ich noch, mir einzureden, dass die Haut einfach rot war, weil ich mich in den letzten zwei oder drei Minuten ununterbrochen dort gekratzt hatte, und irgendwie stimmte das auch.
    Aber nicht ganz.
    Ich hatte mich gekratzt, weil die Haut dort juckte, und der Grund dieses Juckens war eine babyfingernagelgroße Schwellung, in deren Mitte sich ein winziger roter Punkt befand. Er war nicht größer als ein Bienenstich und schmerzte nicht einmal so sehr wie ein solcher, aber es war kein Bienenstich. In der Wunde steckte kein Stachel, und ein einzelner kleiner Blutstropfen war herausgequollen und zeichnete eine gezackte Spur bis zu meinem Handgelenk hinunter, wo er schließlich genug Substanz verloren hatte, um einfach aufzuhören.
    Etwas hatte mich gestochen.
    Vielleicht tatsächlich eine Biene. Oder der mikroskopisch kleine Pfeil eines zwergwüchsigen Pygmäen mit einem Miniaturblasrohr.
    Oder vielleicht auch ein winziger Knochensplitter.
    Es vergingen gute anderthalb Stunden, ohne dass ein Krankenwagen aufkreuzte, was mir selbst angesichts der isolierten Lage von Crailsfelden wie eine kleine Ewigkeit vorkam. Keine Stadt in diesem Land liegt anderthalb Stunden vom nächsten Krankenhaus entfernt — was nicht nur meine Vorurteile gegen Crailsfelden bestätigte, sondern in mir auch die Überzeugung festigte, dass es besser war, in diesem Kaff keinen Herzinfarkt oder irgendeine andere Krankheit zu bekommen, die rasche ärztliche Hilfe notwendig macht. Meine Hand juckte noch immer.
    Stefan und Ed(uard) hatten eines der karierten Tischtücher aus dem Gastraum zweckentfremdet und über Flemmings Leichnam ausgebreitet, was ihnen einen geharnischten Protest des Wirtes einbrachte, der

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