Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht
meine ganz besonders. Ich hatte wahrlich anderes im Kopf als Judiths Busen, der sich an meinem Oberarm rieb.
Auch wenn ich gestehen musste, dass das Gefühl nicht unbedingt unangenehm war …
»Vielleicht sollten wir doch besser ein Taxi nehmen«, ächzte Stefan, nachdem es ihm gelungen war, sich irgendwie unter Marias Schrankkoffer hervorzuarbeiten und wieder zu Atem zu kommen.
Zerberus warf ihm über den Spiegel hinweg einen giftigen Blick zu. »Ihr könnt gerne zu Fuß gehen«, sagte er.
»Der Wagen ist alt. Ich bin froh, dass er überhaupt noch angesprungen ist.«
Ed setzte zu einer Antwort an (ich konnte mir ungefähr vorstellen, wie sie ausfallen würde), aber Ellen kam ihm zuvor. »Sie brauchen ihn wohl nicht sehr oft, wie?«, fragte sie. Nicht dass irgendjemand im Wagen — abgesehen von unserem Chauffeur vielleicht — glaubte, dass es sie wirklich interessierte. Aber immerhin ging Zerberus darauf ein und der drohende Streit fiel aus. »Ich bin kein Taxifahrer«, sagte er, immer noch ein bisschen grummelig, aber schon wieder halbwegs versöhnt. Er hob die Schultern, tippte — deutlich behutsamer als zuvor — auf die Bremse und brachte den Wagen nahezu zum Stehen, um ihn um eine 180-Grad-Kehre zu lenken. Die Kurve war extrem eng, und ich hätte meine rechte Hand darauf verwettet, dass er es nicht schaffte, ohne mindestens ein Mal zurückzusetzen.
Aber ich hatte mich getäuscht. Der linke Vorderreifen rumpelte über ein Hindernis, aber dann hatten wir es überwunden. Die Scheinwerfer beleuchteten eine schmale, in steilem Winkel nach oben führende Straße, an deren Ende sich ein zyklopischer Schatten erhob, der in der fast vollkommenen Finsternis zugleich formlos wie bedrohlich wirkte.
»Ich hab die Kiste das letzte Mal vor über einem Jahr angeschmissen«, fuhr Zerberus fort, nachdem er die Drehung geschafft und in einen höheren Gang geschaltet hatte. »Hab nicht viel Verwendung dafür. Ich hab schon überlegt, sie zu verkaufen, aber für diese Spritsäufer kriegt man ja heute nichts mehr.« Er hob die Schultern.
»Manchmal ist sie ganz nützlich.«
»So wie heute zum Beispiel.« Ellen lächelte, aber in ihrer Stimme lag eine unüberhörbare Warnung an Stefans Adresse. Keiner von uns hatte große Lust, den Rest der Strecke zu Fuß zurückzulegen.
Zerberus warf einen weiteren, ärgerlichen Blick in den Innenspiegel und gab mehr Gas. Der Motor heulte auf, ohne dass der Wagen spürbar schneller wurde. »War alles nicht ganz so geplant«, sagte er. »Aber im Notfall hilft man ja gerne.«
»Wir sind Ihnen auch wirklich sehr dankbar«, sagte Ellen hastig. »Ohne Ihre Hilfe hätten wir jetzt ein Problem. Oder gibt es noch irgendeine Möglichkeit, von hier wegzukommen? Ich meine, ohne Wagen?«
»Um diese Zeit?« Die Frage schien Zerberus zu amüsieren.
»Ich verstehe«, seufzte Ellen. »Vorhin am Telefon — wer war das?«
Der Themenwechsel war so plump, dass ich instinktiv den Atem anhielt und darauf wartete, dass Zerberus in die Luft ging, aber er hob nur die Schultern. »Einer aus dieser Kanzlei eben. Hab mir den Namen nicht gemerkt.«
Zerberus malträtierte den Motor weiter, indem er noch mehr Gas gab und hochzuschalten versuchte. Der Landrover begann zu hoppeln und der Motor wäre um ein Haar erstorben. Autofahren schien nicht unbedingt seine Stärke zu sein.
»Was tut ihr überhaupt hier?«
»Das wüssten wir selbst gern«, antwortete Judith. Irgendwie schien sie doch mitbekommen zu haben, wie ich mich fühlte, denn sie versuchte ein Stück von mir wegzurücken, aber es ging nicht. Immerhin brauchte ich mir über die fehlenden Airbags in diesem Uraltgefährt keine Gedanken zu machen, sollte Zerberus uns den Abhang hinunterchauffieren und wir uns überschlagen. Meine linke Schulter wurde eisern gegen die Tür gequetscht, und auf der anderen Seite fühlte ich zwei äußerst attraktive Airbags, selbst durch meine Jacke und Judiths Kleider hindurch. Ich war ein bisschen verwirrt und mehr als nur ein bisschen ärgerlich auf mich selbst. Ich war ein gesunder, ganz normaler junger Mann (nun gut, nicht mehr ganz so jung, aber auch noch alles andere als alt) und ich bin niemals ein Kind von Traurigkeit gewesen, aber die Situation war einfach unpassend. Ganz davon abgesehen, dass Pummelchen nun wirklich nicht mein Typ war.
»Ihr wisst nicht, warum ihr hier seid?« Jetzt war es für Zerberus endgültig klar: Wir waren nicht ganz dicht.
Vielleicht hatte er ja sogar Recht damit.
»Es geht um
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