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Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
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ruckartige Kopfbewegung in Carls Richtung. »Also gut, gehen wir. Aber glauben Sie nicht, dass die Angelegenheit für mich damit erledigt ist.«
    Als wir in die Küche zurückkehrten, war Ed wieder zu Bewusstsein gekommen und hatte sich auf dem Tisch aufgesetzt. Die Decke, die Ellen über ihn gelegt hatte, war jetzt um seine Schultern geschlungen, und er saß weit nach vorne gebeugt da. Er sah aus wie ein alter Indianer, der an einem längst erloschenen Lagerfeuer hockt und nicht versteht, warum es plötzlich so kalt geworden ist; aber vielleicht auch wie eine Figur aus einem alten Horrorfilm – eine Leiche, die auf dem Seziertisch erwacht und überlegt, welchen der Anwesenden sie zuerst fressen soll. Sein Gesicht war immer noch grau und in seinen Augen lag ein fiebriger Glanz.
    »Ach, ihr seid auch schon wieder da?«, nuschelte er undeutlich. »Eine reizende Familie habe ich mir da angelacht. Ich hege hier und sterbe langsam vor mich hm, und ihr habt nichts Besseres zu tun, als einen gemütlichen Spaziergang zu unternehmen.«
    »Das mit dem Sterben ist gar keine schlechte Idee«, antwortete Judith spitz und schüttelte dann seufzend den Kopf. »Aber so schlecht kann es dir ja wohl nicht gehen, wenn du schon wieder dumme Bemerkungen machen kannst. Wie fühlst du dich?«
    »Ungefähr so, wie ich aussehe«, murmelte er. Er richtete sich ächzend weiter auf, streifte die Decke von den Schultern und schob steifbeinig die Füße vom Tisch.
    »Wie das blühende Leben, was hast du denn gedacht? Ich könnte Bäume ausreißen.«
    Genau genommen sieht er weniger aus wie das blühende Leben, dachte ich, sondern eher wie der Tod auf Urlaub – was ihn aber nicht daran hinderte, Judith schon wieder voller Kampfeslust anzufunkeln. Vielleicht spürt er es auch, dachte ich.
    Aber wahrscheinlich lag es eher daran, dass Ed eben Ed war.
    »Aber allerhöchstens ganz kleine«, sagte Ellen. Sie deutete mit Daumen und Zeigefinger ihrer linken Hand einen Abstand von vielleicht drei Zentimetern an. »Nicht mal Bonsais, würde ich sagen. Und wenn du dich nicht wieder hinlegst, dann reißt du bald gar nichts mehr aus, nicht einmal mehr Grashalme. Die betrachtest du dir höchstens von unten. Habt ihr etwas entdeckt?«
    Ihre letzten Worte galten uns, und Stefan nickte auch sofort mit einem zornigen Seitenblick in Carls Richtung.
    »Allerdings«, bestätigte er. Er stellte den mitgebrachten Handscheinwerfer dicht neben Ed auf den Tisch und bugsierte Carl unsanft zu einem der billigen Plastikstühle. »Unser Freund hier hat ein finsteres Geheimnis, weißt du? Wartet hier und passt gut auf ihn auf. Ich bin gleich zurück.«
    »Kommt gar nicht in die Tüte. Ich wollte gerade einen Ausflug nach Disneyland machen«, brummte Ed in einem weiteren vergeblichen Versuch, witzig zu sein, aber da war Stefan bereits zur Tür hinaus.
    Ellen sah ihm stirnrunzelnd nach. »Wäre einer von euch so freundlich, mir zu erklären, was das soll?«, fragte sie verärgert.
    Ich setzte zu einer Erklärung an, aber Judith kam mir zuvor. Mit wenigen, knappen Worten berichtete sie, was wir entdeckt hatten, und Ellens Blick verdüsterte sich mit jedem Moment, den sie ihr zuhörte. Dabei musste ich Judith im Stillen Respekt zollen: Sie erwähnte zwar unseren Fund und auch Carls kleines Geheimnis, spielte beides aber so geschickt herunter, dass sich selbst Ed nur zu einem stirnrunzelnden Blick in Carls Richtung bemüßigt fühlte und der Streit nicht sofort von vorne begann.
    »Nazigold?« Ellen schüttelte verwirrt den Kopf und legte den Schnellhefter zur Seite, nachdem sie ihn flüchtig durchgeblättert hatte. Ed streckte die Hand danach aus, aber Ellen ignorierte ihn. »Ich dachte, ihr sucht nach einem Ausgang – oder nach von Thun.«
    »Da unten befindet sich ein regelrechtes Labyrinth«, antwortete ich. »Selbst wenn es einen Ausgang gibt, glaube ich nicht, dass wir ihn finden.«
    »Geheimgang, so ein Blödsinn!«, knurrte Carl. »Ich kann euch versichern, dass es keinen gibt. Wenn da einer wäre, hätte ich ihn gefunden.«
    »Ach?«, fragte Ed. »Es sei denn, da unten ist noch was anderes, von dem du nicht willst, dass wir es sehen.«
    Carls Augen blitzten zornig, aber auch diesmal war es wieder Judith, die rasch und besänftigend die Hand hob.
    »Das spielt doch jetzt wirklich keine Rolle«, sagte sie.
    »Ein paar Millionen in Gold?«, fragte Ed. Er hatte sich inzwischen auf den Tischrand gesetzt und schwankte ein wenig hm und her, tat mir aber nicht den Gefallen,

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