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Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
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hinter sich gebracht. Ich schwenkte die Lampe für einen Moment zur Seite, um die Felswand unter ihm zu beleuchten. Sie fiel tatsächlich – zumindest auf dem Stück, das der Scheinwerferstrahl erreichte – fast genauso steil ab wie die gemauerte Wand, und ich verspürte ein kurzes eisiges Frösteln, als der bleiche Lichtschein über das Gewirr aus knorrigen Wurzeln und dürrem, drahtigem Gebüsch glitt, das sich in die Spalten und Ritzen der Felswand gekrallt hatte. Natürlich war es nur meine außer Rand und Band geratene Phantasie, aber für diesen Moment hatte ich das Gefühl, ein Gewirr aus gierig ausgestreckten Händen und Klauen zu sehen, die nur darauf warteten, dass ihre Beute freiwillig näher kam.
    »Was ist mit dem Licht?«, riss mich Stefans Stimme in die Wirklichkeit zurück.
    Hastig schwenkte ich den Lichtstrahl wieder an seinen Platz zurück, und irgendetwas Dunkles, Glitzerndes tauchte für den Bruchteil einer Sekunde darin auf und war wieder verschwunden, bevor ich es genau erkennen konnte.
    »Was ...?«, entfuhr es Judith erschrocken.
    Es war keine Einbildung gewesen. Judith hatte es gesehen und Stefan wohl auch, denn er war mitten in der Bewegung erstarrt und blickte sich mit fast angstvoll aufgerissenen Augen um.
    »Was zum Teufel ist da los?«, rief er. »Frank! Verdammt!«
    Ich kam nicht dazu, zu antworten. Plötzlich ging alles rasend schnell. Der Schatten war wieder da, schwarz, gedrungen und glänzend wie nasses Leder schoss er pfeilschnell auf Stefan hinab. Ein Klatschen ertönte, als er ihn wuchtig direkt ins Gesicht traf, und über mir stieß Judith einen schrillen, erschrockenen Ruf aus, als wir sahen, wie Stefans rechte Hand ihren Halt losließ und er ganz instinktiv nach seinem Gesicht zu greifen versuchte.

Im grellen Licht des Handscheinwerfers sahen die drei langen, parallelen Linien, die plötzlich auf seiner Wange erschienen, aus wie mit einem schwarzen Edding gezogene Striche. Aber es war Blut.
    Stefan keuchte, als ihn seine eigene ungeschickte Bewegung auch noch den Halt mit dem rechten Fuß verlieren ließ. Für den Bruchteil einer Sekunde war ich hundertprozentig sicher, dass er endgültig abrutschen und stürzen musste, aber dann fand er im letzten Moment wieder sicheren Halt.
    Für eine Sekunde. Vielleicht auch für zwei, aber nicht länger.
    Der Schatten war wieder da und diesmal war er nicht allein gekommen.
    Zwei, drei, dann mindestens ein halbes Dutzend erschreckend großer, geflügelter schwarzer Dämonen stürzten sich aus allen Richtungen zugleich auf ihn.
    Judith schrie noch einmal, nun in der Tonlage reiner Panik, und auch ich brüllte Stefan irgendetwas vollkommen Sinnloses zu, beugte mich weiter vor und begann wild mit der Taschenlampe zu fuchteln wie Darth Vader mit seinem Lichtschwert, erreichte damit aber natürlich nicht mehr, als dass das apokalyptische Bild unter uns nun vollends zu einem Alptraum geriet. Stefan schrie.
    Das tanzende weiße Licht der Taschenlampe zerhackte die Bewegungen der Fledermäuse zu einem stroboskopischen Tanz, der sie noch wilder und gefährlicher erscheinen ließ, als sie ohnehin schon waren. Plötzlich hörte ich nicht mehr nur Stefans und Judiths Schreie, sondern noch einen anderen schrillen, pfeifenden Laut, gerade an der Grenze des überhaupt noch Hörbaren, aber unglaublich intensiv, unglaublich wild und so durchdringend, dass er in den Zähnen schmerzte.
    Panik ergriff mich. Was ich sah, war völlig unmöglich.
    Fledermäuse greifen keine Menschen an, zumindest nicht ohne Not und nicht unter freiem Himmel. Und dennoch taten sie es. Und sie taten es mit erschreckender Effektivität.
    Stefan klammerte sich mittlerweile mit nur noch einer Hand an die Mauer. Seine Beine baumelten frei im Nichts, und mit der anderen Hand versuchte er ebenso verzweifelt wie vergebens, das halbe Dutzend geflügelter schwarzer Ungeheuer abzuwehren, das immer wieder auf ihn herabstieß, mit winzigen Krallen an seinem Haar zerrte und sein Gesicht zerkratzte. Irgendwie bekam er einen der winzigen Quälgeister zu fassen. Selbst über die große Distanz hinweg konnte ich das Geräusch winziger zerbrechender Knochen hören, als er die Fledermaus einfach in der Hand zerquetschte, aber damit schien er das Ganze nur noch schlimmer zu machen. Das Pfeifen und Fiepen der Fledermäuse wurde noch schriller, wütender, und mehr und mehr Tiere tauchten aus der Dunkelheit auf, wie ein Schwarm absurd großer schwarzer Motten, die magisch vom Licht angezogen wurden.

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