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Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
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dass die Spitze hell aufglühte, rammte sie dann – obwohl kaum zur Hälfte aufgeraucht – in den Aschenbecher und zündete sich mit zitternden Fingern sofort die nächste an. Ich begann mir allmählich nun doch Sorgen zu machen; weniger um Ellens Gesundheitszustand, denn als Ärztin musste sie selbst am besten wissen, was sie sich antat, als vielmehr um unseren Zigarettenvorrat. Ellen schien meinen gierigen Blick zu bemerken, denn sie hielt mir stumm die Schachtel hin, aber ich lehnte zu meiner eigenen Überraschung mit einem Kopf schütteln ab. »Wir ...
    wir müssen irgendetwas tun«, sagte sie nervös. »Ich meine, wir ... wir können nicht einfach hier herumsitzen und so tun, als sei nichts passiert. Maria hat Recht. Vielleicht lebt er ja noch.«
    Sie wollte einfach, dass er noch lebte. Und unwillkürlich erschienen für einen Moment die schrecklichen Bilder noch einmal vor meinem inneren Auge. Ich hatte nicht tatsächlich gesehen, wie Stefan auf den Felsen aufgeschlagen war. Er war einfach aus dem Lichtstrahl der Taschenlampe verschwunden, und genau genommen hatte ich nicht einmal einen Aufschlag gehört. Vielleicht war er ja in einen Busch gestürzt oder ein Baum oder sonst irgendetwas hatte ihn aufgefangen. Vielleicht lag er genau in diesem Moment nur ein paar Meter von uns entfernt mit gebrochenen Beinen da und wartete verzweifelt darauf, dass jemand kam und ihm half. Der menschliche Körper ist eine sonderbare Konstruktion – manchmal ist es sehr leicht, ihm großen Schaden zuzufügen, selbst ohne es zu wollen, aber auf der anderen Seite hält er manchmal auch geradezu Unvorstellbares ohne schwere Verletzungen aus. Trotzdem schüttelte ich nach einigen weiteren Sekunden den Kopf.
    »Die Felswand ist an dieser Stelle mindestens fünfzehn Meter hoch«, sagte ich.
    »Mehr als zwanzig«, mischte sich Carl ein. Ellen starrte ihn so finster an, als hätte er sich allein durch diese Bemerkung als der einzige Schuldige an Stefans Unglück entlarvt. Doch Carl deutete nur ein Schulterzucken an und fuhr in deutlich bedauerndem Ton fort: »Euer Freund müsste schon eine ganze Heerschar von Schutzengeln auf seiner Seite gehabt haben, um das zu überleben. Da unten ist nichts als Stein.«
    »Wir müssen trotzdem etwas unternehmen«, beharrte Maria. »Wir können ihn nicht einfach verletzt da draußen hegen lassen.«
    »Ach, und was sollen wir deiner Meinung nach tun?«, fragte Ed. Er zog eine Grimasse. »Soll ihm vielleicht jemand hinterherklettern und auch noch abstürzen?« Er deutete fast anklagend auf Carl. »Du hast ihn gehört. Die Chance, dass Stefan noch lebt, ist minimal.«
    »Aber sie besteht«, beharrte Ellen. Maria warf ihr einen dankbaren Blick zu. »Und es geht nicht nur um Stefan, sondern auch um von Thun. Wenn dir schon alles andere egal ist, dann versuch dir doch einfach vorzustellen, wie wir irgend jemandem erklären sollen, dass es hier gleich zwei schwere Unfälle innerhalb einer Stunde gegeben hat.«
    »Zwei Abstürze«, fügte Judith hinzu.
    Eds Augen wurden schmal. »Was genau willst du damit sagen?«, fragte er.
    »Dass wir irgendwie hier rausmüssen oder zumindest Hilfe rufen«, sagte Ellen. Sie maß Carl mit einem nachdenklichen Blick, fuhr dann aber wieder direkt an Judith und mich gewandt fort: »Es muss einfach noch einen anderen Ausgang geben.«
    »Ich kenne jedenfalls keinen«, sagte Carl.
    »Dann suchen wir danach«, beharrte Ellen. Sie stand auf. »Und wenn ich mich mit bloßen Händen durch diese verdammte Mauer graben muss – ich bleibe keine Sekunde länger in diesem Rattenloch als ich muss. Vielleicht ... vielleicht sollten wir uns aufteilen. Zwei Gruppen sind doppelt so effektiv wie eine.«
    »Ach?«, fragte Ed spöttisch.
    »Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, wenn wir uns trennen«, wandte Maria ein.
    »Hast du Angst, ganz allein hier zu bleiben?«, fragte Ed höhnisch. »Keine Angst, Schätzchen – ich bleibe gerne bei dir und halte Händchen.«
    Obgleich sie Cowboystiefel-Eduards herablassende Art mittlerweile eigentlich schon gewohnt sein müsste, zuckte Maria unter seinen Worten zusammen, versah ihn aber schließlich mit einem Blick, der kaum eine andere Interpretation zuließ als Ekel, zumindest aber ein gehöriges Maß an durchaus nachvollziehbarem Abscheu. Ich glaubte ihr deutlich anzusehen, wie froh sie darüber war, dass Ed zumindest in dieser Nacht, wahrscheinlich aber auch für eine ganze Reihe weiterer Sonnenaufgänge, nicht mehr aus eigener Kraft auf seinen

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