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Nemesis 03 - Alptraumzeit

Nemesis 03 - Alptraumzeit

Titel: Nemesis 03 - Alptraumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
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allein in diesem Haus, mindestens.«
    »Ich … «, setzte ich an, brach aber ab und suchte einen Augenblick lang nach einer halbwegs gelungenen Ausrede. Die Tatsache, dass ich wegen nichts anderem als Kopfschmerzen in Ohnmacht gefallen war, beschämte mich noch immer. Doch ich besann mich, dass die Unwahrheit Judith nur noch misstrauischer machen würde, denn ich war ein schlechter Lügner. Also gab ich mir einen Ruck und sagte: »Ich war bewusstlos.«
    »Ohnmächtig?«, fragte Judith zweifelnd.
    »Migräne«, antwortete ich schulterzuckend. »Seit ich hier angekommen bin, attackiert sie mich immer wieder.
    Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie solche Kopfschmerzen gehabt. In Sängers Zimmer haben sie mich einfach umgehauen, verstehst du? Ich dachte, mein Kopf würde jeden Augenblick explodieren, genau wie … «
    »Wie?«, fragte Judith. Aber das Misstrauen hatte sich um einen kleinen Deut aus ihrer Stimme zurückgezogen.
    »Wie eben«, antwortete ich und blickte beschämt weg.
    Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ganz allein ich Schuld an dieser ganzen Katastrophe trug. Ich war derjenige gewesen, der die improvisierte Stütze heruntergerissen und damit den Einsturz von mindestens vier oder fünf Quadratmetern Decke ausgelöst hatte. Ganz allein ich war verantwortlich für das warme Blut, das Judiths T-Shirt an ihrem linken Oberarm durchtränkt hatte, wie ich in diesem Augenblick bemerkte, als mein Handrücken zufällig über die Verletzung streifte. »Du bist verletzt«, sagte ich erschrocken.
    »Nur ein kleiner Schnitt. Es hat zwischendurch schon aufgehört zu bluten. Erst als ich vorhin gerade aufgestanden bin, hat es wieder angefangen«, winkte Judith ab.
    Dann seufzte sie erleichtert auf. »Es tut mir Leid«, sagte sie. »Ich hätte dich einfach fragen sollen, statt meine ganze Angst auf dich zu projizieren … Das mit den Kopfschmerzen«, fügte sie unsicher hinzu, »kommt mir bekannt vor. Nur nicht so schlimm.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich habe auch Kopfschmerzen, seit ich in Crailsfelden bin«, antwortete Judith unbehaglich. »Ich habe nur nichts gesagt, weil ich nicht wie ein jammerndes kleines Mädchen dastehen wollte. Aber ich hatte noch nie in meinem Leben Kopfschmerzen.«
    »Solche hatte ich auch noch nicht«, bestätigte ich. »Ich bin Migräneattacken gewohnt, sofern man sich an so etwas überhaupt gewöhnen kann, aber –«
    »Aber ich wusste bisher noch nicht einmal, wie sich Kopfschmerzen anfühlen«, fiel Judith mir ins Wort. »Ich hatte wirklich noch nie welche. Nicht einmal, wenn ich am Morgen nach einem Weiberabend mit meinen Freundinnen auf Knien ins Bad gerobbt bin, um mich zu übergeben. Bis vor ein paar Stunden habe ich Kopfschmerzen immer für eine dumme Ausrede von Frauen gehalten, die sich nicht trauen, einfach zu sagen, dass sie ihrer Männer überdrüssig sind und keine Lust haben, mit ihnen zu schlafen. Oder von Kerlen, die zu faul sind, den Müll aus der achten Etage nach unten zu tragen. Ist das nicht seltsam?« Ich antwortete nicht, sondern hob nur hilflos die Schultern. Natürlich war es seltsam. Aber was war in diesem verwunschenen Gemäuer schon normal?
    »Ellen ist schreiend weggerannt, als die Decke runtergekommen ist«, wechselte Judith abrupt das Thema, wohl in der plötzlichen Einsicht, dass jetzt eigentlich nicht der richtige Augenblick war, über Kopfschmerzen zu reden. »Sie war vollkommen hysterisch. Ich habe ihr nachgerufen, dass sie mir helfen soll, aber sie hat einfach nicht reagiert. Sie war völlig außer sich.«
    »Und die anderen?«, wollte ich wissen.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Judith hilflos. »Ich war die ganze Zeit bei Bewusstsein, aber ich konnte im Dunkeln und in dieser unmöglichen Lage eingeklemmt unter dem Bett nichts sehen. Aber ich habe Schritte gehört – gerade vor ein paar Minuten noch. Ich dachte, dass du es wärst, aber wenn du ohnmächtig warst, muss es Carl oder Maria gewesen sein. Oder Ellen rennt noch immer hilflos hier herum und hat nicht gemerkt, dass sie in der Dunkelheit im Kreis gelaufen ist.« Einen Moment lang suchte sie nach etwas in ihren Hosentaschen, dann entzündete sie plötzlich und ohne Vorwarnung ein Feuerzeug unmittelbar vor meinem Gesicht, so dass ich geblendet die Augen zusammenkniff und einen Schritt zurückwich.
    »Wir sollten sie suchen«, sagte sie. »Möglicherweise hatte einer der anderen weniger Glück als wir beide und ist hier irgendwo eingeklemmt und nicht in der Lage, nach Hilfe zu rufen. Carl?

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