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Nemesis 06 - Morgengrauen

Nemesis 06 - Morgengrauen

Titel: Nemesis 06 - Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
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unmögliche Verrenkung, derer es bedurfte, mir zu folgen, nicht gescheut hatte und dass sie noch immer genau in meine Richtung starrte.
    Und noch etwas beunruhigte mich nun zutiefst: Hatte ich ein Geräusch vom Flur her gehört? So etwas wie – ein Flüstern? Alle meine Muskeln spannten sich, und der Schreck löste eine neuerliche Woge des Schwindels in meinem Kopf aus. Ob man im Wachraum auf mich aufmerksam geworden war, dachte ich erschrocken. Ich lauschte angestrengt, hörte aber nichts mehr. Möglicherweise hatte ich mich auch getäuscht, vielleicht war dieses vermeintliche Flüstern nichts als ein Produkt meiner überreizten Phantasie gewesen, eine der vielen Früchte, die die Angst trug.
    Nein, entgegnete eine entschiedene Stimme in meinem Hinterkopf. Da war wirklich etwas. Jemand. Ich konnte es ganz deutlich spüren, ich ... Unsinn! Da gab es nichts zu spüren, widersprach mein Verstand energisch. Ich hätte zuvor hören müssen, dass jemand über den Gang schritt.
    Mach dir nichts vor, meldete sich die quälende Stimme, die dagegensprach, zurück. Ich würde vielleicht das Trampeln genagelter Soldatenstiefel auf dem Steinfußboden hören oder das Klackern von Pfennigabsätzen. Nicht aber das Schuhwerk, das Krankenhauspersonal für gewöhnlich trug, nämlich Turnschuhe oder irgendwelche Gesundheitslatschen, deren weiche Sohlen auf dem Marmorbelag so gut wie kein Geräusch verursachten.
    Kaltes Neonlicht, das plötzlich unter der Decke aufflammte, beendete abrupt die Konversation der widersprüchlichen Stimmen in meinem Inneren. Wie zum Teufel war es möglich, das Licht in der Kammer einzuschalten, ohne zuerst die Tür zu öffnen? Erst in der nächsten Sekunde wurde sie aufgestoßen, und einmal mehr schien mein Herz die Mandeln in meinem Hals grob anzurempeln. Entsetzt starrte ich der massigen Gestalt entgegen, die den Raum betrat. Sie hielt einen Elektroschocker in der Hand.
    »Seien Sie ganz entspannt, Herr Gorresberg«, säuselte der Fleischberg unter dem Türrahmen in einem Tonfall, der seine Worte Lügen strafte. »Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung.«
    Meine ohnehin schon angespannten Muskeln strafften sich schier bis zum Zerreißen.
    »Stehen Sie auf, Herr Gorresberg. Sie sollten sich ausruhen«, fuhr der Pfleger fort. »Sie sind schwer verletzt. Es ist...«
    Weiter kam er nicht. Mit einem entschlossenen Satz sprang ich vor und rammte dem Koloss den Wäschewagen in den Leib. In der nächsten Sekunde fühlte ich mich, als sei ich in voller Fahrt mit einem Smart gegen einen Hunderte von Jahren alten Baum gebrettert. Zeitgleich mit dem Aufprall jagte ein stechender Schmerz durch meine Schulter, der grelle Lichtpunkte vor meinen Augen tanzen ließ, so dass ich einen Moment lang befürchtete, das Bewusstsein zu verlieren. Ich bemühte mich mit aller Kraft darum, dass dies nicht geschah, und bewegte mich stattdessen so schnell es ging auf die Tür zu, nachdem ich festgestellt hatte, dass der Hüne tatsächlich doch aus dem Gleichgewicht gekommen und gestürzt war. Benommen drängte ich mich durch den Türspalt.
    Doch der Fleischberg war nicht allein gekommen.
    Draußen auf dem Flur erwarteten mich mehrere Schwestern, und vom Ende des Flures näherte sich mir ein weiterer Pfleger, der ebenfalls mit einem schwarzen Elektroschocker bewaffnet war.
    »Geben Sie auf, Herr Gorresberg.« Eine junge Frau mit einer hausbackenen Hochsteckfrisur und einer dicken Brille im Stil der fünfziger Jahre löste sich aus der Gruppe der Schwestern und trat auf mich zu. Das weiße Namensschild auf ihrem Kittel enttarnte sie als FRAU DR. SCHIRMER, nicht als Hilfsschwester. »In Ihrem Zustand ist es ...«, begann sie, brach aber entsetzt ab, als ich ohne Vorwarnung auf sie zusprang und ihr einen Arm auf den Rücken drehte. Meine Linke legte sich auf ihre Kehle. Ich trat einen Schritt zur Seite, um die Wand in meinem Rücken zu spüren, während ich die Ärztin wie einen lebenden Schutzschild vor mich hielt.
    »Wo ist der Ausgang?«, fragte ich. Meine Stimme klang mir fremd. Rau und gehetzt.
    »Das hat doch keinen Sinn«, flüsterte die junge Frau, sprach aber nicht weiter, als sich meine Hand nur noch fester um ihre Kehle schloss.
    Wütend funkelte ich den Pfleger an, der inzwischen wieder auf die Beine gekommen war und im Türrahmen stand. »Eine falsche Bewegung, und ich knipse Ihrem Doc das Licht aus«, zischte ich drohend. »Kommen Sie nicht näher!«
    Der Hüne schien nicht im Geringsten beeindruckt von meinen Worten oder

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