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Nemesis 06 - Morgengrauen

Nemesis 06 - Morgengrauen

Titel: Nemesis 06 - Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
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überschlug, so schnell redete ich. Es war, als versuchte ich, mit meinen Worten eine Art Schutzwall gegen die Wirklichkeit zu errichten.
    Professor Sänger strich sich mit der dürren Hand über das nicht weniger knochige Kinn. »Das wäre wohl möglich«, gab er zu. »Aber welchen Sinn hätte das schon?«
    »Sie wollen mich manipulieren!«, behauptete ich in verzweifeltem Zorn.
    Der alte Wissenschaftler schüttelte sanft den Kopf.
    »Wozu?«, fragte er, und ich wehrte mich gegen den Eindruck, dass seine Stimme ehrlich klang. »Einen Mann manipulieren, der in spätestens drei Tagen tot sein wird.
    Was hätte ich schon davon? Wären zwei Menschenleben nicht ein sehr hoher Preis für ein derartiges Unterfangen?«
    Die kalte Logik seiner Worte ließ mich nur noch entschiedener gegen sie aufbegehren. Der Professor hatte das alles hier von langer Hand geplant! Auch wenn ich nicht begreifen konnte, welchem Zweck das alles dienen sollte; schließlich war es ein bisschen zu viel verlangt nachzuvollziehen, was in einem Mann vorging, der zu Kriegszeiten Zwangsadoptionen hatte durchführen lassen, um einen beachtlichen Teil der so erlangten unschuldigen kindlichen Wesen in Scheiben zu schneiden und in einem Keller unter einer alten Burg auszustellen. All die schnellen und plausibel klingenden Antworten des Alten waren doch sicher lange im Voraus ausgetüftelt worden, vielleicht nicht von ihm allein. Sie kamen ohne jegliches Zögern, ohne eine Spur der Unsicherheit, ganz so, als hätte er sie auswendig gelernt. Sie waren der Beweis dafür, dass hier etwas nicht stimmte!
    Oder dafür, dass er tatsächlich die Wahrheit sagte, meldete sich der unbequeme Flüsterer, der schon so oft Recht behalten hatte, in meinen Gedanken. Über die Wahrheit musste man schließlich nicht erst lange nachdenken.
    »Beginnst du endlich, die Wahrheit zu begreifen?«, fragte Sänger, als hätte er in meinen Gedanken gelesen.
    »Du bist der Held dieses Abends. Im Herd in der Küche oben in der Burg liegt eine Patrone mit einem Nervengas verborgen. Eigentlich seid ihr nur alle zusammengerufen worden, damit ihr dort oben alle versammelt seid. An einem Ort fernab von lästigen Zeugen.«
    Er lächelte selbstgefällig, rückte sich den Hocker zurecht, den zuletzt das Mädchen namens Carla im Todeskampf umgestoßen hatte, und setzte sich darauf.
    »Eine Erbschaft gab es nie«, fuhr er fort. »Ich wollte die dritte Generation vergasen, um dann die nötigen Eingriffe in aller Ruhe vornehmen zu können. Ihr alle habt Hirntumore, die eure Lebensperspektive auf maximal ein Jahr begrenzen. Das Risiko war zu groß, dass ihr bald in Kliniken landet, in denen ich keinen Zugriff mehr auf euch habe. Allerdings muss ich zugeben, auch neugierig gewesen zu sein zu sehen, wie weit eine Gruppe intelligenter junger Leute gehen würde, um ein vermeintliches Millionenerbe anzutreten. Es war interessant zu beobachten, wie Geld jegliche Moralvorstellung aufzuheben vermag.« Er grinste anzüglich, wurde aber schnell wieder ernst. »Noch interessanter jedoch war es, dich zu beobachten«, behauptete er. »Wie du durch die Burg geschlichen bist, wie ein gefangenes Raubtier. Und als euch dann der Rückweg abgeschnitten war, da hat die Bestie ihren Käfig verlassen. Ich habe von Thun abgezogen, weil ich mir Sorgen um seine Sicherheit machte. Und dann habe ich dich beobachtet.«
    »Wovon reden Sie?« Ich wollte die Antwort nicht hören.
    Er würde mich ohnehin nur belügen. Er log die ganze Zeit.
    Ich bemühte mich, an dieser Vorstellung festzuhalten.
    »Von deinen Morden«, antwortete der Alte unverblümt.
    »Begreifst du denn immer noch nicht? Der Killer, das bist du, Frank. Der zornige kleine Junge in dir, der seinen Freunden niemals vergeben hat, was an jenem ersten Samstag in den Sommerferien vor jetzt fast zwanzig Jahren geschehen ist. Ganz gleich, was man in den polizeilichen Untersuchungen damals festgestellt hat: Es war kein Unfall, dass Miriam damals vom Turm gestürzt ist. Ebenso wenig, wie Maria Selbstmord begangen hat. Dem kleinen Jungen in dir ist klar, dass sie an derselben Stelle stand wie Miriam damals. Die Art, wie sie auf der Zinne tanzte. All dies war kein Zufall. Du hast es inszeniert.«
    Sänger maß mich mit einem Blick, in dem sich irgendetwas zwischen Anerkennung, Sorge und Abscheu widerspiegelte. »Damals hat es die Kraft von fünf meiner sechs Schüler bedurft, um Miriam dazu zu bringen, zu springen.
    Heute Nacht hast du allein es geschafft«, behauptete

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