Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nemesis 06 - Morgengrauen

Nemesis 06 - Morgengrauen

Titel: Nemesis 06 - Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
erforderlich ist, um eine Operation wie das Projekt Prometheus zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Die heutige Politik hat eine wesentliche Fähigkeit unserer Ahnen verloren. Man denkt nicht mehr in langen Zeiträumen, sondern hechelt atemlos von Tageserfolg zu Tageserfolg, und sei er noch so banal. Ein Forschungsprojekt, das nicht innerhalb von höchstens zehn Jahren greifbare Fortschritte vorweisen kann, hat kaum Aussichten, über diesen Zeitraum hinaus gefördert zu werden. Deshalb ist das Projekt Prometheus, obwohl es seit Ende des Krieges aus zeitig gebildeten Rücklagen finanziert wird und sich in keiner Weise mit den Mitteln vergleichen kann, die man in den USA und in der Sowjetunion investiert hat, das am weitesten fortgeschrittene Projekt dieser Art weltweit.«
    »Wofür halten Sie sich eigentlich?« Ich war nicht sicher, wesentlich mehr als die Hälfte von dem, was der Professor erzählt hatte, verstanden oder gar behalten zu haben, aber das, was ich kapiert hatte, reichte aus, um in mir den Drang wachzurufen, mich gegen meine Fesseln aufzubäumen, die die Pfleger mir angelegt hatten. Doch es war ein schwacher Versuch, und die breiten Lederriemen ließen mir keinen Spielraum. Über meiner Brust spannten sie sich so straff, dass mir sogar das Atmen schwer fiel und sich bereits dunkelrote Abdrücke in mein Fleisch geschnitten hatten. »Glauben Sie, es steht Ihnen zu, die Geschicke der Welt nach Ihrem Gutdünken zu lenken?«, fuhr ich den Greis wütend an.
    Der Professor warf einen neuerlichen verunsicherten Blick auf die Messkurven. »Erstaunlich«, stellte er nach einigen Sekunden fest. »Deine Emotionen vermögen in beispiellosem Umfang die Wirkung des Narkotika-Cocktails, den man dir verabreicht hat, zu unterdrücken. Jeder normale Mensch läge bei dem, was man dir alles verabreicht hat, längst im Koma. Ich fürchte allerdings, dass deine Leber und deine Nieren nicht sehr lange mitspielen werden.«
    »Zynischer Bastard«, murmelte ich, erschöpft von dem vergeblichen Versuch, mich gegen die ledernen Fesseln aufzubäumen.
    »Ich halte mich für einen sehr moralischen Menschen«, erwiderte Sänger, und seine Stimme klang, als sei er von seinen Worten durchaus überzeugt.
    In meinen Ohren hingegen klang seine Antwort dennoch wie blanker Hohn. Professor Klaus Sänger – ein moralischer Mensch? Die heilige Mutter Teresa – eine elende Hure, die Dutzende von Freiern kaltblütig ermordet hatte?
    Das war lächerlich!
    »Was für eine Sorte Moral lässt es denn zu, im Auftrag Hitlers Menschenversuche durchzuführen und diese Versuche sogar fast sechzig Jahre nach dem Untergang des Dritten Reiches immer noch fortzusetzen?«, ereiferte ich mich mit einer Energie, von der ich selbst nicht wusste, woher ich sie bezog.
    »Du denkst zu emotional.« Sänger machte eine beschwichtigende Geste mit der Linken. »Sicherlich ist das ein Privileg der Jugend, aber weiter voran bringt es uns nicht. Dir ist klar, dass es Firmen gibt, die jetzt schon mächtiger sind als kleine Staaten, oder? Dieser Trend wird sich fortsetzen. Solche Wirtschaftsstrukturen unterliegen keinerlei Kontrolle. Umgekehrt sind diese Megafirmen in zunehmendem Maße in der Lage, die Politik zu kontrollieren. Ich vertrete eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern, Intellektuellen und Industriellen, die solchen Entwicklungen entgegensteuern wollen. Wir werden keine Armeen aufstellen können, um unsere Ziele zu erreichen.
    Kriege sind nichts weiter als eine unglaubliche Verschwendung von Menschenleben und Geld. Wir würden wesentlich subtiler vorgehen.«
    Ich verstand nicht, was der Alte mir damit sagen wollte, aber ich musste auch nicht danach fragen. Er war dem Redefluss, den er kurz unterbrochen hatte, längst wieder verfallen. Die Worte sprudelten aus seinem Mund wie Wasser aus einer Quelle. Oder wie Eiter aus einer schrecklichen Wunde.
    Mein Respekt vor Sänger, sofern ich je welchen gehabt hatte, war auf ein Maß gesunken, bei dem ich mir in der Wahl meiner Metapher absolute kreative Freiheit einräumen konnte.
    »Nehmen wir als Beispiel den letzten Irakkrieg«, erklärte der Professor. »Die CIA hätte jemanden wie dich wahrscheinlich dazu benutzt, Saddam Hussein bei einer öffentlichen Rede dazu zu bringen, sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen und auf spektakuläre Weise vor laufenden Kameras Selbstmord zu begehen. Danach wäre das Land vermutlich im Chaos eines Bürgerkrieges versunken.
    Die USA hätten die ihnen genehme Fraktion

Weitere Kostenlose Bücher