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Nemti

Nemti

Titel: Nemti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wloch
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fernen Ägypten über Frankreich in die Eifel«, sinnierte Frau Doktor Linus. »Wie ging es mit Laporte weiter?«
    »Ich will es kurz anreißen«, sagte Beyer. »Laporte stieg in der Rangordnung der Administration auf. Er heiratete eine Einheimische aus gutem Haus und gelangte zu bescheidenem Wohlstand. Sein Hauptaugenmerk legte er auf die Ausbildung eines Nachfolgers. Er brauchte jemanden, dem er absolut vertrauen konnte, und baute seinen Sohn systematisch auf.«
    »Um die Jahreswende 1813/1814 brach die französische Herrschaft zusammen.« Brückner versuchte, mit Geschichtskenntnissen zu beeindrucken. »Für Laporte eine existenzielle Bedrohung. Was tat er?«
    »Er blieb in Polch. Dort war sein Lebensmittelpunkt, die Familie. Unter den neuen Machthabern baute er sich mühsam eine neue Existenz auf.«
    »Geht aus den Aufzeichnungen hervor, ob die Familie von seinem Vorleben wusste?«
    »Das war nicht herauszulesen, aber ich nehme stark an, dass niemand innerhalb der Familie davon wusste, bis auf den ältesten Sohn. Ihn musste er nach und nach in alles einweihen.«
    »So zieht sich die Ahnenreihe bis in unsere Zeit«, stellte Frau Doktor Linus fest.
    »Jan Gleißner wurde anstelle seines verunglückten Vaters ab dem zwölften Lebensjahr behutsam von seinem Großvater in die Geheimnisse der Bruderschaft und deren Ziele eingeführt. Erwin und Jan Gleißner sind die letzten Kinder des Setech.«
    Brückner horchte auf und meldete sich zu Wort. »Das bedeutet, wenn die beiden lange genug einsitzen, und keinen Nachkommen mehr ausbilden können, ist der Spuk vorbei?«
    Lukas wiegte zweifelnd den Kopf hin und her. »Wir können nicht ausschließen, dass irgendwo eine Zelle der Bruderschaft existiert, von der wir nicht wissen. Aber für die nächsten Jahrzehnte haben wir Ruhe.«
    »Das heißt präzise?« Brückner goss sich Kaffee nach.
    »Bei meinen Recherchen fiel mir eine Unstimmigkeit auf, was die Umlaufzeit des Kometen betrifft. Deswegen werde ich mich mit einem Astronomen in Verbindung setzen und den Sachverhalt klären. Haben Sie noch weitere Fragen?«
    »Aber sicher, Herr Dux«, sagte Habermehl. »Wir sprechen hier über einen Zeitraum von fast zweihundert Jahren. Wenn ich richtig verstanden habe, muss Scarlatto in dieser Zeitspanne drei Mal in Erdnähe gekommen sein.«
    »Richtig. Sie beschäftigt die Frage, ob in den Annalen Morde verzeichnet sind, die zu diesen Zeitpunkten verübt wurden. Es ist nichts dergleichen niedergeschrieben. Doch dafür gibt es eine Erklärung, die mir Jan Gleißner unbewusst gegeben hat. In den Jahren, die Sie ansprechen, war der Komet in Europa nicht beobachtbar. Für die Mitglieder der Bruderschaft war das Nichtsichtbarsein des Kometen ein Indiz dafür, dass die Menschen noch nicht für die göttliche Ordnung bereit waren. Deshalb blieb der Wanderer aus.«
    »Ich fürchte, es wird auch diesmal nichts mit der göttlichen Ordnung des Seth«, stellte Weinbrecht fest. »Ist auch besser so.«
    »Jan Gleißner ist ein sehr intelligenter Mensch«, sagte Brückner. »Es will mir nicht in den Kopf, dass er quasi mit einem zweiten Ich gelebt hat. Er vereinigt zwei Identitäten in sich. Man bezeichnet das üblicherweise als multiple Persönlichkeitsstörung, oft ausgelöst durch traumatische Erlebnisse in der Jugend.«
    »Ich denke, wir sollten dieses Thema im Augenblick nicht ausweiten«, schlug Frau Doktor Linus vor. »Persönlichkeitsstörungen sind etwas für Psychiater, nicht für Kriminalisten. Haben Sie noch etwas für uns?«
    »Wir sind mit unseren Ausführungen am Ende.«
    Lukas blickte sich um. Die Enthüllungen wirkten nachhaltig und mussten erst einmal verdaut werden. Alle hingen ihren Gedanken nach, und jeder ging anders damit um.

Mittwoch, 26. September 2001
     
     
     
    E ine derart turbulente Anfangsphase seines Praktikums in der Kriminalinspektion hatte sich Lukas in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Seit Habermehls Bestätigung, dass er einen Praktikumsplatz im Kommissariat bekommen würde, war es sein Traum gewesen, an einem spannenden Fall mitzuarbeiten. Dieser Traum war Wirklichkeit geworden.
    Unkonzentriert schichtete Habermehl Unterlagen von einer Seite des Schreibtischs auf die andere. Lukas nutzte die Phase der Entspannung und genoss den Geschmack von grüner Grütze auf seiner Zunge. Doch die Ruhe währte nicht lange, Habermehl schob die Akten beiseite und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
    »Zeit, ein Resümee zu ziehen, Herr Dux. Sind Sie zufrieden

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