Nemti
Original-Waffe sein. Es sind Gebrauchsspuren vorhanden, doch sie ist bemerkenswert gut erhalten. Selbstverständlich müsste das wissenschaftlich untermauert werden, zum Beispiel durch eine archäometallurgische Prüfung. Warten Sie bitte.« Tiefe Denkfalten zeigten sich auf Knickriems Stirn.
»Was haben Sie entdeckt?«, fragte Lukas.
»Eine winzige Kartusche. Die Hieroglyphen-Schrift benutzt eine ovale Seilschleife, die Kartusche, die sich gewissermaßen als Schutz um den Namen des Pharaos legt.«
»Was heißt das für uns?«
»Wenn die Waffe authentisch ist, können wir sie zeitlich einordnen.«
»Dann sollten Sie das tun.«
»So einfach ist das nicht, Herr Kommissar. Ich erkenne eine Sonnenscheibe, das Vorderbein eines Stieres oder eines ähnlichen Tieres und ein Herz. Lassen Sie mich kurz überlegen.« Er lehnte sich zurück und rieb über sein Kinn. »Wehem-ib-Re. Das ist der Thronname des Pharaos. Er bekam ihn bei der Krönung verliehen und war sein wichtigster Name. Unter diesem Namen sind die Pharaonen allerdings kaum bekannt. Deshalb sagt mir Wehem-ib-Re nichts.«
»Und wie finden wir den bekannteren Namen heraus?«
»Indem wir einen Fachmann anrufen.« Knickriem zog sein Mobiltelefon unter einer Zeitschrift hervor.
Zehn Minuten später lag das Ergebnis der Recherche vor.
»Ich habe mit meinem Professor gesprochen. Wehem-ib-Re ist der Thronname von Pharao Necho dem Zweiten. Er regierte von 610 bis 595 vor Christus. Wenn es ein Original ist, halten Sie eine ziemlich wertvolle antike Waffe in Händen.«
»Mit der drei Morde verübt worden sind«, führte Habermehl den Gedanken zu Ende.
»Können wir davon ausgehen, dass das Chepesch aus dem Besitz des Pharaos stammt?«, fragte Lukas.
»Nein. Eine königlic he Waffe wäre wertvoller ausgestattet und reichhaltiger verziert. Ich vermute, dass sie einem Angehörigen seines Heeres gehört hat.«
Eine Weile herrschte atemlose Stille. An diesem altägyptischen Artefakt klebte das Blut von Menschen, gemeuchelt wenige Wochen und Tage zuvor.
»Verdammt«, sagte Habermehl nach einer ganzen Weile. »Das ist die älteste Mordwaffe, die mir jemals untergekommen ist. Zweitausendsechshundert Jahre alt. Ich denke, wir haben genug Informationen.«
»Und genug von der Archäologie.« Der Student blickte ihn schmunzelnd an.
»Können Sie Blut sehen, Herr Knickriem?«
»Mein eigenes nicht.«
»Gut. Reichen Sie mir bitte das Messer, Herr Dux.«
»Igitt.« Knickriem verzog das Gesicht und wandte sich ab. »Ist das menschliches Blut?«
»Wir fürchten ja. Was können Sie uns dazu sagen?«
Knickriem drehte es in der Hand und betrachtete es von allen Seiten. »Eine moderne Nachbildung. Könnte einem ägyptischen Prunkmesser nachempfunden sein. Nicht wertvoll.« Er gab Lukas das Messer zurück. »Haben Sie noch mehr, womit Sie mich erschrecken wollen?«
»Nein. Allerdings brennt mir noch eine Frage unter den Nägeln. Wer oder was ist Nemti?«
Knickriem blickte Lukas verdutzt an. »Wie kommen Sie jetzt auf Nemti? Woher kennen Sie den Namen?«
»Ich habe geahnt, dass ich einen Archäologen danach fragen muss. Sie wissen die Antwort?«
»Soweit mir bekannt ist, war Nemti eine lokale altägyptische Gottheit, aber auch der göttliche Fährmann. Das kann ich Ihnen aber genauer sagen.« Knickriem griff seine Krücken und hebelte sich stöhnend aus dem Sessel. Im Regal suchte er nach einem Buch. Er humpelte zurück und legte es auf die Oberschenkel. »Hier. Nemti, genannt der Schreitende oder auch der Wanderer . Verehrt im oberägyptischen Falkengau, später auch im Bergviper-Gau.«
Lukas unterbrach ihn. »Sagten Sie gerade der Wanderer ?«
»Warum fragen Sie?«
»Ein zutreffender Vergleich mit Kometen. Sind Ihnen Les Enfants de Setech bekannt?«
»Nie von denen gehört. Nur das Setech ein anderer Name für Seth ist. Haben die etwas mit Nemti zu schaffen?«
»Das wissen wir nicht.«
»Im ägyptischen Götterhimmel nimmt Nemti eine nicht ganz geklärte Stellung im Umfeld von Horus und Seth ein.«
»Danke«, sagte Habermehl. »Sie wollten Herrn Knickriem eine Fotografie zeigen.«
Lukas rutschte im Sessel nach vorn und schlug eine Mappe auf. In einer Klarsichthülle steckte der Ausdruck einer Bilddatei. »Dieses Stilett trug der Schlitzer bei sich, als wir ihn festgenommen haben.«
Knickriem nahm Lukas das Bild ab. »Das ist bei Weitem nicht so alt wie das Chepesch. Höchstens sechzehntes bis siebzehntes Jahrhundert.«
»Das ist auch ganz schön
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