Nemti
Wohnzimmer.«
Minuten später verließen Weinbrecht und er den Raum. Armin Baertel hatte sein ehemaliges Arbeitszimmer gründlich leer geräumt.
Frau Baertel saß zusammengesunken im Sessel. Ihr war deutlich anzumerken, dass sie die Nachricht vom Tod ihres Mannes stärker mitgenommen hatte, als sie sich eingestehen wollte.
»Ich möchte gern allein sein«, sagte sie leise.
»Im Moment haben wir keine Fragen mehr, Sie hören aber noch von uns.«
»Das werde ich nicht verhindern können.«
»Rufen Sie an, wenn Ihnen etwas einfallen sollte.« Habermehl legte eine Visitenkarte auf den Tisch.
»Was halten Sie von der Frau?«, fragte Weinbrecht, als sie wieder im Wagen saßen.
»Sie hat sich bemüht, Stärke zu zeigen. Doch sie wird ihren schwachen Augenblick bekommen, sobald ihr bewusst wird, welchen Verlust sie erlitten hat, trotz der Querelen um die Scheidung.«
»Könnte sie in einem Zusammenhang mit dem Mord stehen?« Weinbrecht zwirbelte eine Strähne seines Haares.
»Die ist zu zart, um einen solch brutalen Mord zu begehen.«
Weinbrecht startete kommentarlos den Motor und ließ den Wagen rückwärts auf die Straße rollen.
»Sie schauen gleich in unserer Datenbank nach, ob Armin Baertel aktenkundig ist«, wies Habermehl seinen Kollegen an. »Ich werde Kriminalrat Brückner aufsuchen und ihm einen vorläufigen Bericht geben.«
Sonntag, 19. August 2001
J enseits des lang gestreckten Höhenzuges des Gänsehalses zogen dunkle Wolken auf. Lukas sah sie bei einem Blick in den Rückspiegel. Sie verhießen nichts Gutes. Südlich des Laacher Sees strahlte noch die Sommersonne vom spärlich bewölkten Himmel.
Er hatte die Mendig im Norden umgehende Kreisstraße verlassen und befand sich auf einem Wirtschaftsweg, der parallel zur A 61 verläuft. Außer ihm war dort niemand unterwegs, während auf der Autobahn ein ununterbrochener Strom von Fahrzeugen vorbeirauschte, darunter ein Konvoi von sechs Wohnwagen-Gespannen mit gelben Autokennzeichen. Er warf immer wieder einen Blick auf das graue Asphaltband – und war froh, dort nicht unterwegs sein zu müssen.
Nach einer kurzen Steigung verlief der Wirtschaftsweg nach rechts auf eine Brücke zu. Er bog in einen unbefestigten Weg ein, in den landwirtschaftliche Fahrzeuge und Lastwagen Spurrillen eingegraben hatten. Die tiefsten Furchen und Löcher waren mit vulkanischem Lockermaterial und Erdreich verfüllt worden. Es hatte seit zehn Tagen nicht geregnet und die Erde war zu feinem, pulvertrockenem Staub zermahlen.
Hier konnte Lukas’ ehemaliges Bundeswehr-Fahrzeug seine überlegene Geländetauglichkeit ausspielen. Es war ganz nach seinem Geschmack, fernab von stark frequentierten Straßen und belebten Ortschaften unterwegs zu sein. Die laute, überreizte Welt lag hinter ihm, doch er konnte sie nicht ausknipsen, wie mit einem Schalter das Licht. Er konnte dieser Welt nicht entfliehen, sich nur zeitweise von ihr abnabeln. Das vermittelte ihm ein Gefühl von Freiheit.
Der holprige Fahrweg führte direkt auf die südliche Umwallung des Laacher Sees zu. Vor dem dunkelgrünen Hintergrund des Krufter Waldes lag sein Ziel. Dominiert wurde das Panorama durch den Krufter Ofen. Dort hatte vor Jahren ein intensiver Abbau stattgefunden. Die aufgelassene Grube war mittlerweile renaturiert und in der kesselartigen Einsenkung lag heute der Waldsee.
Er stellte den Wagen neben der Einfahrt in die Bimsgrube ab. Bei einem Blick durch das Seitenfenster sah er die Schleier der Staubfahne, die er bei der Anfahrt hinter sich hergezogen hatte. Die feinen Teilchen des vulkanischen Sandes setzten sich rund um den Weg ab. Eine graue Staubschicht bedeckte das Land und die dort wachsenden Pflanzen. So wie hier sah es in der Umgebung aller Bimsabbaue und Schlackengruben aus.
Neun Uhr dreißig. Jan war mit ihm verabredet und würde bald kommen. Er hatte bei einem Telefongespräch den Wunsch geäußert, einmal an einer Mineraliensuche teilzunehmen.
Lukas stieg aus und reckte die Glieder. Vor ihm breitete sich wie eine natürliche Reliefkarte das Hügelland der Pellenz aus. In östlicher Richtung erhob sich hinter Kruft der markante Korretsberg. Im Süden, von seinem Standpunkt aus nicht erkennbar und verborgen unter einem Dunstschleier, lag das Tal der Mosel.
Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Jans Land Rover Defender rollte auf den Platz. Zum Glück stand Lukas so, dass der sanfte Westwind die Staubfahne des Wagens von ihm fortblies.
»Pünktlich wie die Maurer«,
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