Nemti
Elektroschocker gegen den Arm des Mannes. Er sackte zusammen. Bevor er zu Boden gehen konnte, fing er ihn auf und drückte ihn gegen die Hauswand.
Keinen Moment zu spät, denn hinter der Hausecke ertönte das Brummen und Scheppern eines Gabelstaplers. Hunderte Wasserkästen standen auf ihren Paletten, und immer wieder kamen neue hinzu.
Vorsichtig spähte er um die Ecke. Der Fahrer des Gabelstaplers setzte die Palette ab und wendete.
»Das ging noch mal gut.« Er schnaufte.
Der alte Mann zuckte grotesk. Seine Augenlider zitterten.
»Du wirst mir doch nicht vorzeitig abkratzen? Ich brauche dich lebend, hörst du?« Er schleifte ihn zum Wagen und warf ihn auf die Ladefläche. An der Halsschlagader fühlte er nach dem Puls. Erleichtert atmete er auf. Mit Kabelbindern verzurrte er Arme und Beine, anschließend verschloss er ihm den Mund mit Klebeband. Den reglosen Körper rollte er auf den Rücken und warf eine Wolldecke über ihn. Neferkarê schlug die Hecktür zu und ging zur Fahrertür. Sein Blick streifte die gefüllte Flasche und den Rucksack des alten Mannes. Die Sachen gingen ihn nichts an. Er hatte, was er wollte. Teil eins seiner Mission war erfolgreich abgeschlossen. Zufrieden startete er den Motor.
Neferkarê fuhr in den Wald und stoppte. Mit Tesafilm klebte er das Logo der Landesforsten an gut sichtbarer Stelle an die Frontscheibe. Zufrieden drückte er den Startknopf des CD-Spielers und ließ sich von altägyptischer Tempelmusik berauschen.
Dem Pönterbachtal aufwärts folgend, erreichte er nach kurzer Zeit den Weg, der bergan ins Gieferstal führte. Ein unerklärlicher Impuls bewog ihn, anzuhalten, auszusteigen und die Hecktür zu öffnen. Der alte Mann wand sich unter der Decke wie ein Wurm und wimmerte vor sich hin.
Neferkarê kontrollierte die Kabelbinder. »Hör auf, dich befreien zu wollen, alter Mann, das hat keinen Zweck. Es wird dir nicht gelingen.« Er schloss die Hecktür, lehnte sich einen Moment dagegen und lauschte. Er vernahm nur das Rauschen des Waldes und Vogelgezwitscher. Ansonsten war er mit seinem Opfer allein.
*
Die Beamten, die im Tal Stellung bezogen hatten, meldeten sich. Habermehl wäre fast das Funkgerät aus der Hand gefallen, als das Rufzeichen ertönte. »Einsatzleitung hört … Was? Ein Fahrzeug der Landesforsten? Ich kümmere mich darum. Nein, Sie unternehmen nichts. Nur beobachten.« Er drückte Lukas das Gerät in die Hand. »Halten Sie Verbindung mit den Kollegen. Ich muss telefonieren.«
Lukas stellte sich dem Polizisten vor. »Was ist passiert?«
»Ein Wagen hat in einiger Entfernung vor uns angehalten. Wir haben ihn mit unseren Ferngläsern aufs Korn genommen und festgestellt, dass es sich um ein Fahrzeug der Landesforsten handelt.«
»Merkwürdig. Was sehen Sie noch?«
»Ein Mann ist ausgestiegen und hinter den Wagen gegangen. Er hat die Hecktür geöffnet und hantiert mit etwas.«
»Können Sie das Fabrikat des Fahrzeugs erkennen?«
»Negativ. Aber es ist ein Geländewagen. Dunkelrot oder braun, schwer zu erkennen. Die Sonne blendet, verstehen Sie?«
»Was macht er jetzt?«
»Er lehnt sich gegen den Wagen.«
»Herr Dux, ich übernehme wieder.« Habermehl hatte sein Telefonat beendet und nahm ihm das Funkgerät ab. Er wechselte einige Worte mit dem Polizisten und legte es auf dem Holzstapel ab.
»Die haben mir einen gehörigen Schrecken eingejagt.« Habermehl ließ sich auf seinen improvisierten Sitz nieder und pustete Luft aus den Lungen.
»Sie haben die Sache geklärt?«
»Herr Danninger hat mir versichert, dass sich kein Wagen der Landesforsten in der Nähe befindet. Die sind außerdem dunkelgrün lackiert.«
»Sie denken an den Schlitzer?«
»Ja, er ist es. Meine Nase juckt, ein untrügliches Zeichen.«
Augenblicke später meldeten sich die Polizisten erneut. Habermehl erfuhr, dass das verdächtige Auto in das Gieferstal einbog und auf dem Weg zu ihnen war. Er gab die Meldung unverzüglich an die Kollegen weiter.
Lukas lauschte. Vom Tal her vernahm er ein leises Brummen, das langsam an Lautstärke gewann.
»Komm schon«, presste Habermehl leise hervor. Seine Stimme vibrierte.
Angespannt lauschte Lukas auf die Fahrgeräusche. Der Wagen kam näher. Gleich würde der Unbekannte ein Gesicht bekommen. Er hatte sie schon zu lange zum Narren gehalten.
Mit klopfendem Herzen sah er in Habermehls Richtung. Der machte einen abgeklärten Eindruck und zeigte keinerlei Regungen. Man konnte meinen, er beobachtete ein Eichhörnchen.
Habermehl
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