Neobooks - Die Zitadelle der Träume
Katapult neu aus. »Drei Tage, Canon! Wenn jetzt kein Wunder geschieht, sind wir verloren. Die kurzen Pausen reichen längst nicht mehr. Die Männer können kaum noch ihre Waffen halten. Wo bleibt nur unsere Verstärkung?«
»Die Entfernung dürfte jetzt stimmen«, erklärte der Prinz und sah vom eigenen Katapult zu dem der Feinde, bevor er seinen Adjutanten ansah. »Sie wird kommen, Arneke. Lass die Ruhezeiten verlängern! Wenige ausgeruhte Kämpfer sind wirksamer als viele erschöpfte.«
»Du solltest dir auch einmal eine Rast gönnen.«
Von irgendwoher wurde gerade laut nach dem Kommandanten geschrien, und Canon lächelte unwillkürlich. Aber das Lächeln erreichte die Augen schon lange nicht mehr, denn tiefe Erschöpfung hatte sich darin festgesetzt. »Ja, wenn Zeit dafür da ist.«
Er wandte sich an die Gardisten, die das Katapult bedienten. »Zerschmettert dieses Teil! Ich lasse euch vierteilen, wenn das Ding noch länger steht.«
Er atmete durch, packte sein Schwert wieder, um sich den Weg zum nächsten Geschütz freizukämpfen. Es ging nur langsam voran. Er wich einer Axt aus und schlug mit dem Schwert zu. Er half, eine Leiter umzuwerfen, und stieg über Tote hinweg.
Neben ihm schmetterte der immer hilfsbereite Hofschmied und Vater von sechs Kindern einem Krieger gerade seinen riesigen Hammer mitten ins Gesicht. Blut spritzte nach allen Seiten, und der Schmied lachte schallend und suchte mit irrem Blick schon sein nächstes Opfer, während sein blutjunger Gehilfe den noch zuckenden Körper des Kriegers über die Mauer warf. »Kommt ruhig hoch! Hier werdet ihr alle so verschönert«, brüllte er dabei höhnisch.
»Mein Arm ist weg!«, hörte Canon jemanden schreien. »Wo ist er hin? Ich will ihn wiederhaben.«
Gelächter erklang.
Längst hatte er das Gefühl, in einem nicht enden wollenden Alptraum gefangen zu sein. Seine Hände waren rot von Blut, und er hätte noch nicht einmal mehr sagen können, ob es sein Blut war oder nicht. Seit Tagen umgab ihn Kampfgetöse, und die Bilder vor seinen Augen wurden immer furchtbarer, immer unwirklicher. Er wagte es kaum noch, seinen Männern ins Gesicht zu sehen. Allein ihre oftmals irren Blicke aus glasigen, blutunterlaufenen Augen verursachten ihm eine Gänsehaut.
Der Anblick von Vätern, die weinend ihre sterbenden Söhne in den Armen hielten, jagte ihm Kälteschauer über den Rücken. Doch gleichgültig, wie verbissen die Bürger Mar’Elchs kämpften, das Ende schien unausweichlich.
Seine Männer starben, und sie starben mittlerweile zu Hunderten. Sie starben unter den Äxten der Gegner, an nicht versorgten Wunden oder weil sie vor Erschöpfung von der Mauer stürzten. Jeder Blick über die Burgmauer wurde zur Tortur, denn die Zahl der Feinde schien unerschöpflich. Für jeden Hordenkrieger, der fiel, kamen zwei andere nach.
»Sie brechen durch! Das äußere Tor fällt!«
Canon blieb wie angewurzelt stehen. Das war der Anfang vom Ende. »Arneke, besorg mir Krieger, die noch halbwegs kämpfen können. Der Durchgang zum inneren Tor ist eng, wir müssen ihn halten – um jeden Preis.«
War es zuvor ein Alptraum gewesen, war es jetzt die Hölle. Wild schreiend, ihre Äxte schwingend drangen die Hordenkrieger in das Mauergewölbe zwischen den Toren ein. Geschoben von ihren eigenen Leuten, schienen sie unaufhaltsam.
Canon sah bald nur noch Blut – das seiner Feinde, das seiner Mitstreiter und schließlich sein eigenes, nachdem ein Schwert ihm das halbe Gesicht zerschnitten hatte. Bar jeder vernünftigen Wahrnehmung kämpfte er weiter und weiter und immer weiter. Er stolperte über Tote und Verwundete, hörte irgendwann nur noch wie aus weiter Ferne das Klirren der Waffen und die Schreie der Männer und sah nur noch durch einen roten Nebel Arneke Portas vor ihm unter einer Axt zu Boden gehen, und dann sah er das Ende: Plattenreiter stürmten hoch zu Ross durch das Tor, pflügten ohne Rücksichtnahme auf eigene Kameraden durch die Reihen der Krieger. Etwas traf ihn am Oberschenkel, und er stürzte. Überall um ihn herum wurden Männer zu Tode getrampelt, aufgeschlitzt, enthauptet. Ein Pferd ragte neben ihm auf. Ein Kommando wurde gegeben, das er nicht mehr verstand. Hände zerrten ihn hoch. Kaum noch bei Bewusstsein nahm er wahr, dass ein Seil um seine Brust gelegt wurde. Dann umfing ihn Dunkelheit.
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7. Kapitel
Caitlin und Gideon hatten Kairan hinter sich gelassen. Ohne Schwierigkeiten waren sie aus der Stadt gekommen, aber bei jedem Posten war
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